Die Karte Des Himmels
Vorstand der Kirchengemeinde.
»Es ist nicht so, dass wir alle ein paar Zusatzeinkünfte nicht schätzen würden«, sagte Steve Gunn, der Landwirt der Starbrough Farm, der in seinen Gummistiefeln gleich zum Herrenhaus hinaufgekommen war, anstatt zum Telefon zu greifen, »aber der Verkehr wäre eine verdammte Belästigung. Sie wollen dafür extra eine Straße bauen, stimmt’s? Und der Wald ist der Wald. Er ist in vieler Hinsicht wichtig. Du kennst mich, Robert, ich bin vielleicht nicht einer Meinung mit all diesen Biobauern, aber wir brauchen das ökologische Gleichgewicht. Man kann nicht einfach hingehen und die Landschaft durchwühlen und glauben, dass das nichts ausmacht.«
»Das sehe ich genauso, Steve«, erwiderte Robert.
»Wir brauchen also den Gemeinderat, um etwas dagegen zu unternehmen. Und der Gemeindevorstand bist du, Robert.«
»Und ich habe die Absicht, eine Dringlichkeitssitzung einzuberufen«, verkündete Robert.
Am Nachmittag machten Jude und Chantal einen Spaziergang durch den Park, der mit seinen Beeten aus späten Päonien und blühenden Sträuchern Chantals Reich zu sein schien. Chantal war immer noch vollkommen außer sich wegen der Bombe, die am Morgen geplatzt war.
»Ich hätte nie gedacht, dass so etwas geschehen könnte. Wenn der arme William geahnt hätte, dass ein Mann wie Mr. Farrell das Land in die Finger bekommt, hätte er es unter keinen Umständen verkauft. Ich glaube, wir sind es selbst schuld. Vielleicht waren wir naiv. Und nun haben wir den Wald und den Turm in Gefahr gebracht. Oh, Jude, mir entgleitet alles, all die Dinge, die mir einmal wichtig waren ... dieses Haus, das unser Erbe hütet. Robert sieht das nicht mit den gleichen Augen wie ich ...«
»Aber Chantal, Sie haben doch gesagt, dass Sie und Ihr Mann das Waldgebiet verkaufen mussten, um die Rechnungen bezahlen zu können. Und Robert wird gegen den Entwicklungsplan vorgehen. Es ist nur ein Plan. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Behörden einwilligen werden. Einfach so einen alten Wald zerstören.«
»Nein, aber ich weiß inzwischen, wie solche Dinge ablaufen. Sie werden einen weiteren Plan einreichen und dann noch einen, bis alle Leute zermürbt sind und der Plan akzeptiert wird. Und wer wird den Starbrough Folly verteidigen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dem Bauern wirklich an ihm liegt.«
»Ihm vielleicht nicht, aber Euan. Und ich glaube, vielen Menschen im Dorf geht es nicht anders. Der Turm ist ein bekanntes Wahrzeichen des Dorfes.« Obwohl es nicht auf der Touristenkarte verzeichnet ist, erinnerte sie sich. »Und Robert scheint entschlossen ...«
»Robert ist ein guter Junge, aber es ist, wie ich sage. Ich kann seinen Vater in ihm erkennen. Er hat nicht das gleiche Empfinden für die Vergangenheit wie ich ... und wie Sie, Jude.«
Sie blieben stehen. Chantal ging in die Hocke und zupfte ein bisschen Unkraut zwischen weichen weißen Blumen heraus.
»Endlich kann der arme Phlox wieder atmen«, sagte Chantal und erlaubte Jude, ihr hochzuhelfen. Als sie sich den Schmutz von den knotigen Fingern wischte, wirkte sie ruhiger.
Eine Weile standen sie schweigend da, genossen das Vogelgezwitscher und den Sonnenschein. Die warme Luft und die Düfte des Gartens vermittelten ein Gefühl der Zeitlosigkeit. Jegliche menschliche Tätigkeit schien zurückzukehren in diesen endlosen Kreislauf von Werden und Vergehen, wieder eins zu werden mit der Erde.
»Hierher bin ich immer gegangen in jenem Sommer, als William starb«, sagte Chantal. »Eine ganze Weile war ich zu nichts anderem in der Lage. Dinge anzupflanzen. Hier konnte ich arbeiten und die Gedanken schweifen lassen. Es war ausgesprochen heilsam. Als der Winter kam, habe ich mich an den Kamin gesetzt und versucht, in Anthonys Tagebüchern zu lesen.«
»Ich bin keine Gärtnerin«, gestand Jude. »Es war meine Arbeit, die mich gerettet hat.« Sie erinnerte sich an die schrecklichen ersten Wochen nach Marks Tod. Der Behördenkram, der notwendig war, um seine Leiche aus Frankreich zu überführen, dann die gerichtliche Untersuchung der Todesursache in London und die Beerdigung. Die unablässige Flut der Kondolenzbriefe, die ständigen Telefonanrufe. Eine Zeit lang war sie nach Hause nach Norfolk zurückgekehrt, aber ihre Mutter, die selbst noch um ihren Vater trauerte, war ihr keine große Hilfe gewesen. Claire hatte mit dem Kleinkind und ihrem neuen Laden alle Hände voll zu tun gehabt. Judes alte Schulfreundin Sophie war ein Geschenk des Himmels gewesen,
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