Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Qwilleran. »Wir stecken zwischen zwei Stockwerken fest!«
Die Katzen, die während der vierhundert Meilen langen Reise mehr oder weniger unkommunikativ gewesen waren, wurden sehr laut, als sie erfuhren, daß sie im Aufzugsschacht des Casablanca zwischen zwei Stockwerken festsaßen. Qwilleran drückte auf den Hilfe-Knopf und konnte in einem weit entfernten Teil des Gebäudes eine Klingel hören, die sich anhörte wie ein Feuermelder. Doch je länger er sich auf den roten Knopf lehnte, und je länger die Glocke schrillte, desto lauter wurde Kokos Heulen und Yum Yums Gejammer.
»Still!« befahl Qwilleran und drückte noch einmal lange auf den Knopf, doch auf Katzen-siamesisch heißt ›still‹ sicherlich ›lauter‹.
»Schschsch!« schimpfte er.
Irgendwo wurde eine Aufzugstür gewaltsam geöffnet; irgendwo in der Ferne rief eine Stimme.
Qwilleran rief zurück: »Wir sind zwischen zwei Stockwerken steckengeblieben!«
»Wo sind Sie denn?« ertönte es von weither.
»YAU!« erwiderte Koko.
»Still, du Dummkopf! Ich kann nicht verstehen, was er sagt... Wir stecken zwischen zwei Stockwerken!«
»Welches Stockwerk?« Die Stimme klang hohl, wahrscheinlich hielt der Mann die Hände an den Mund, um die Wirkung eines Megaphons zu erzielen.
»YAU!«
»Ich kann Sie nicht hören!« rief Qwilleran.
»Welches Stockwerk?« Die Stimme kam von oben.
»YAU!«
»Halt die Klappe!«
»Was sagen Sie da unten?«
»Wir stecken zwischen zwei Stockwerken fest! Ich weiß nicht, welche!« brüllte Qwilleran so laut er konnte.
Eine schwere Tür wurde geschlossen, und dann war es lange Zeit still; nichts geschah.
»Du hast es wirklich vermasselt!« sagte Qwilleran zu Koko. »Sie wollten uns zu Hilfe kommen, und du konntest nicht den Mund halten. Jetzt sitzen wir vielleicht die ganze Nacht hier fest.« Er sah sich in der trostlosen Zelle mit den schmutzigen Wänden und den abgetretenen Fliesen auf dem Fußboden um. Eine der Neonröhren war ausgebrannt, so daß die halbe Kabine dunkel war. »Ihr habt wenigstens euer Kistchen«, sagte er zu seinen mißmutigen Gefährten, »und das ist mehr, als ich von mir sagen kann.« Er drückte wieder auf den Notruf-Knopf.
Wieder hörte er, wie im Schacht über ihm etwas aufgerissen wurde, und dann schrie eine Stimme – diesmal etwas näher: »Sie müssen rausklettern!«
»YAU!« erwiderte Koko.
»Wie?« rief Qwilleran.
»Was?«
»YAU!«
Ärgerlich stieß Qwilleran den Katzenkorb mit dem Fuß weg, was aber nur noch heftigeres Geschrei zur Folge hatte. »Wie soll ich hinausklettern?«
»Drücken Sie die Decke hoch!«
In der braunen Decke war eine Metallplatte eingelassen, die voller schwarzer Fingerabdrücke war.
»Stoßen Sie fest zu!« lautete die Anweisung von oben.
Qwilleran griff hoch, gab der Metallplatte einen kräftigen Stoß, und sie klappte scheppernd auf. Durch eine rechteckige Öffnung konnte er eine nackte Glühbirne sehen, die den schwarzen Schacht grell erleuchtete, und eine Leiter, die langsam heruntergelassen wurde. Er überlegte, ob er sich wohl durch das Loch in der Decke zwängen konnte; er überlegte, ob der Tragekorb durchgehen würde.
»Ich habe Gepäck bei mir!« schrie er.
Wieder mußte er lange warten. Dann wurde ein Seil heruntergelassen, das durch die Falltür baumelte.
»Binden Sie es am Griff fest!« rief sein Retter.
Rasch verknotete Qwilleran ein Seilende am Griff des Katzenkorbs und sah zu, wie er sich vom Boden hob und – zum Ärger der Insassen – ruckartig hinaufgezogen wurde.
»Noch was?«
Qwilleran sah die Bratpfanne an und überlegte kurz. Die Griffe waren schon vor langer Zeit abgesägt worden, damit sie zwischen die Sitze auf den Boden des Autos paßte. Außerdem enthielt sie nicht mehr ganz sauberes Katzenstreu.
»Nichts mehr!« rief er und stieß die Pfanne in eine dunkle Ecke des Aufzugs. Dann begann er die Leiter hinaufzuklettern. Über sich sah er ein bleiches Gesicht und eine rote Golfmütze, die auf einem sandfarbenen Haarschopf saß.
Der Hauswart erwartete ihn oben. »Entschuldigen Sie.«
Auf Händen und Füßen krabbelte Qwilleran aus dem schwarzen Loch auf den gefliesten Mosaikboden eines Korridors, was die wartenden Katzen überaus interessant fanden; sie waren immer ganz hingerissen, wenn er sich ungewöhnlich benahm.
»Wo sind wir?« fragte er.
»Im neunten Stock. Wir müssen zu Fuß hinaufgehen. Jetzt sind beide Fahrstühle kaputt – Old Red und Old Green. Der Handwerker kommt erst morgen. Am Sonntag kostet es
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