Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
unberechenbar.«
»Dieses Problem haben wir alle«, sagte Amber. »Man gewöhnt sich daran.«
»Kennen Sie den Mieter von vierzehn-B?«
»Eine Mieterin. Nein, sie ist neu, aber ich habe sie im Aufzug gesehen – sieht irgendwie wild aus.« Amber schlang das Essen hungrig hinunter.
»Ich hoffe, sie duscht nicht zu oft«, sagte Qwilleran. »Was können Sie mir über die Gräfin erzählen?«
»Ich kenne sie nicht. Ich habe sie noch nicht einmal gesehen! Ich verkehre leider nicht in diesen Kreisen. Mary kennt sie. Mary wird in den zwölften Stock eingeladen, weil ihr Vater Bankier ist und sie auf eines dieser Colleges im Osten ging.« Amber hatte ihrer Flasche Valpolicella schon kräftig zugesprochen und verlor jetzt den letzten Rest an Zurückhaltung. »Als Sie früher hier lebten, Qwill, dachten wir alle, Sie seien scharf auf Mary und hätten bei ihr keine Chancen, weil Sie bei einer Zeitung arbeiteten und sie dachte, sie sei zu gut für Sie.«
»Es freut mich zu hören, daß nicht alle Klatschbasen in Pickax City sind«, sagte er. »Wollen wir eine Nachspeise essen? Ich empfehle italienisches Eis und Espresso.« Dann kam er zu dem Thema, das ihn am meisten beschäftigte. »Warum wird die Penthaus-Wohnung untervermietet – mit der ganzen wertvollen Einrichtung?«
»Der Vormieter ist gestorben, und der Nachlaß wird erst gerichtlich geregelt«, sagte Amber. »Mary mußte ihre Beziehungen spielen lassen, damit Sie die Wohnung kriegten. Wenn Sie nicht dieses viele Geld hätten...«
»Wer war der Mieter?«
»Kunsthändler – Teilhaber einer Galerie im Finanzviertel, Bessinger-Todd.«
»Offenbar war er sehr erfolgreich, obwohl ich seinen Kunstgeschmack nicht teile.«
»Es war eine Frau, Qwill. Dianne Bessinger. Wir nannten sie Lady Di.«
»Warum wohnte sie in einem heruntergekommenen Gebäude wie dem Casablanca?«
»Ich vermute, sie hielt das Penthaus für mondän. Sie war die Gründerin von RUCK.«
»Haben Sie ihre Wohnung einmal gesehen? Gemälde mit Pilzen, wohin man sieht.«
»Ich weiß. Sie hat einmal eine Party für die ehrenamtlichen Mitarbeiter von RUCK gegeben, und ich habe sie auf die Pilze angesprochen. Ich sage nicht, daß ich etwas von Kunst verstehe. Sie behauptete, Pilze seien sexy.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Sie... nun, sie ist unerwartet gestorben.« Zum ersten Mal an diesem Abend wurde Amberina zurückhaltend.
»Wie alt war sie?«
»Über Vierzig. Fünfundvierzig, stand in der Zeitung, glaube ich.«
»Waren es Drogen?«
»Nein.« Amber zappelte unruhig herum. »Wir reden nicht gerne darüber. Fragen Sie Mary, wenn Sie sie sehen.«
Also Aids, dachte Qwilleran, revidierte das aber sofort wieder. Das würde wohl kaum den großen Blutfleck auf dem Teppich erklären, und die Leute starben nie ›unerwartet‹ an Aids. Oder doch? »Sie sagten, sie war die Gründerin von RUCK?« fragte er.
»Ja, sie liebte das Casablanca sehr«, sagte Amber, erleichtert, von dem Thema, das tabu war, wegzukommen. »Jeder, der einmal hier gewohnt hat, empfindet so – man hängt irgendwie an dem alten Haus.«
»Und was ist mit Ihrem Türsteher passiert? Sie sagten, er wurde erschossen. Unter welchen Umständen? War er in irgendwelche krummen Sachen verwickelt?«
»Nein, nichts dergleichen«, sagte sie und entspannte sich über ihrer Tasse Espresso. »Ist dieser Duft nicht himmlisch?«
»Also, was ist mit ihm passiert? Was war los?«
»Nun, er war ein netter alter Mann, der seit Ewigkeiten im Souterrain wohnte. Er lebte von der Sozialhilfe, und wir brauchten eigentlich gar keinen Türsteher mehr, aber es machte ihm Spaß, ab und zu mal seine alte Uniform anzuziehen, Autotüren zu öffnen und ein wenig Trinkgeld zu kassieren. Er trug einen langen Kutscherrock, der ihm bis zu den Knöcheln reichte – wahrscheinlich kam er sich darin wichtig vor. Aber der Rock war vor Alter schon ganz grün, und die goldene Kordel war stumpf geworden, und ein paar Knöpfe fehlten. Außerdem vergaß er immer, sich zu rasieren. Wir nannten ihn den ›armen alten Gus‹. Er war ein trauriger Anblick, aber er paßte irgendwie zum Image des Casablanca, wissen Sie – er war ein Original! Die Leute fuhren an ihm vorbei und lachten. Einmal gab es einen Artikel über ihn im Daily Fluxion. Und dann fuhren eines Nachts ein paar Jugendliche vorbei – die hatten wohl irgendwas genommen, vermute ich – und erschossen d e n armen alten Gus!«
Qwilleran runzelte die Stirn und schüttelte schockiert den Kopf. »Ist alles in
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