Die Katze
Rohmer ist eine Irre. Sie würde dir, ohne mit der Wimper zu zucken, die Kehle aufschlitzen. Wie findest du das?«
»Ich dachte, du kennst Jill nicht.«
Bram strich sich die Haare aus dem Gesicht und sank auf seinem Stuhl sichtlich in sich zusammen. »Ich kenne sie auch nicht. Nicht wirklich.«
»Nicht wirklich? Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass ich sie einmal getroffen habe, und glaub mir, einmal hat gereicht. Sie hat mir einen Höllenschrecken eingejagt.«
Charley stand auf, rannte in ihr Schlafzimmer und kam mit dem Kassettenrekorder zurück. Sie stellte ihn auf den Tisch und drückte auf die Aufnahmetaste. »Erzähl mir davon.«
»Ist das wirklich notwendig?«
»Ja. Erzähl.«
»Es war eigentlich nichts«, sagte Bram und warf resignierend die Arme in die Luft. »Okay. Pam und ich waren nach einem Kurs zusammen Pizza essen. Plötzlich tauchte Jill auf - ›komisch, dich hier zu treffen, was für ein Zufall‹ und so weiter und so weiter -, setzte sich neben ihre Schwester, bediente sich von deren Pizza und fing an, ziemlich unverhohlen mit mir zu flirten.«
»Was hat Pam gemacht?«
»Sie saß einfach da und sagte nichts. Ich hatte den Eindruck, dass sie Angst vor ihrer Schwester hat. Beim Gehen hat Jill ›versehentlich‹ Pams Cola umgestoßen und sie von oben bis unten damit begossen. Pam war völlig gedemütigt. Als ich sie das nächste Mal gefragt habe, ob wir zusammen was machen, hat sie abgelehnt.«
»Und das war das einzige Mal, dass du Jill getroffen hast?«
»Das einzige Mal.«
»Bist du ganz sicher? Du bist nie mit ihr ausgegangen, hast nie mit ihr geschlafen?«
»Ich glaube, daran würde ich mich erinnern«, beharrte Bram.
»Und sonst hast du mir nichts zu erzählen?«
»Das war das erste, letzte und einzige Mal, dass ich sie gesehen habe.«
»Und warum hast du mir dann nicht schon früher davon erzählt?«
»Ich dachte nicht, dass es etwas zu erzählen gäbe. Warum hast du mir nicht erzählt, dass du ein Buch schreibst?«
Warum hatte sie es ihm nicht erzählt? »Ich wollte wohl erst abwarten, wie sich das Ganze entwickelt. Bis jetzt habe ich nur recherchiert.«
»Das heißt, du hast dich schon mit Jill getroffen?«
»Schon mehrere Male.«
»Hat sie irgendwas über mich gesagt?«
»Nein. Sie hat nie erwähnt, dass ihr euch kennt.«
»Wahrscheinlich hat sie es vergessen.«
»Das bezweifle ich irgendwie.«
»Nun, das erklärt jedenfalls, warum du Albträume hast.«
Das Telefon klingelte erneut. »Hallo?«
»Charley, hier ist Lynn Moore«, meldete sich ihre Nachbarin. Charley stellte sich die Frau an ihrem Küchentisch vor, umringt von Dildos und mit Fell ummantelten Handschellen. »Ich wollte dir bloß sagen, dass ich deine Ansichten zur Frauenliteratur in deiner Kolumne von heute Morgen voll und ganz teile.«
»Vielen Dank«, sagte Charley und wandte sich wieder ihrem Bruder zu, sah jedoch nur noch die verwehende Spur seines dampfenden Kaffees, als er hinausging.
Nun, der Tag hatte auf jeden Fall einige Überraschungen gebracht, dachte Charley, als sie Bram vor dem Haus seines AA-Sponsors absetzte und Richtung Turnpike fuhr. Sie sollte James um fünf Uhr bei seinem Vater abholen, und es war schon nach vier. Sie würde es nie im Leben pünktlich bis Boynton Beach schaffen, was bedeutete, dass sie auch zu spät in Lantana sein würde, um Franny abzuholen. Elise würde sie mit ihrem typischen vorwurfsvollen Elise-Blick erwarten, der in Charley regelmäßig den Drang weckte, der Frau eine runterzuhauen.
Charley hatte sich ihren Sonntag auch anders vorgestellt. Sie hätte den Tag im Bett verbringen sollen, zusammen mit einem der weltbesten Liebhaber, einem Mann, der wirklich kapierte, wie der Körper einer Frau funktionierte, genau wusste, wie viel Druck er wo und wann anwenden musste. Stattdessen war sie mit ihrem Bruder zurück nach Miami gefahren, wo sie den Nachmittag mit dem Erstatten einer Anzeige und dem Ausfüllen polizeilicher Formulare zugebracht hatten. Nächste Station war Coral Gables gewesen, wo er seinen Sponsor von den Anonymen Alkoholikern besuchte, einen Mann mittleren Alters mit braunem Haar und grau meliertem Bart, der Charley freundlich lächelnd erklärt hatte, dass sie vom Besuch einer Al-Anon-Familienselbsthilfegruppe
bestimmt profitieren würde. Sie hatte erwidert, dass sie es versuchen wolle, sobald sie Zeit dafür habe. Er hatte geduldig nickend zugehört und gesagt, sie klinge genau wie ihr Bruder, worauf sie auch diesem Mann am
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