Die Katze
wie Alex dem Kind eine Plastiktüte über den Kopf zog. »Das kann nicht sein. Das kann nicht sein.« Sie rappelte sich auf die Füße und schaltete den Videorekorder aus, bevor sie noch mehr sehen konnte. Sie ließ die Kassette auswerfen und grub ihre Fingernägel in die Plastikhülle, während sie versuchte, das Gesehene zu begreifen. Aber es blieb keine Zeit, alles zusammenzufügen
und das Wie und Warum zu verstehen. Nichts von all dem war jetzt wichtig. Wichtig war nur eins: Alex hatte diese Kinder getötet. Er war Jills Liebhaber, ihr Komplize, ihr Mentor.
Er war Jack.
Und jetzt war er auf dem Weg, ihren Sohn umzubringen. »Bewegt euch«, befahl sie ihren Beinen. »Los, bewegt euch.«
Im nächsten Moment war sie auf den Beinen und suchte ihre Handtasche. Sie fand sie schließlich im Schlafzimmer auf dem Fußboden, stopfte die Videokassette hinein und suchte ihre Autoschlüssel, bis ihr einfiel, dass sie nicht zu Hause war, und ihr Auto nicht hier. Außerdem war sie sowieso nicht fahrtüchtig, woran ihr Magen sie mit einer neuerlichen Welle von Übelkeit erinnerte. Alex hatte ihr offensichtlich irgendwas eingeflößt. Aber wann? Bram hatte die Pfannkuchen gemacht; ihre Mutter den Kaffee.
Wer möchte Orangensaft? , hörte sie Alex munter fragen.
Okay, dafür blieb jetzt keine Zeit, ermahnte Charley sich. Sie musste etwas unternehmen. Alex hatte natürlich nur so getan, als hätte er die State Police angerufen, was bedeutete, dass keine Polizisten zur Rettung von James unterwegs waren. Sie musste ihre Mutter warnen und ihr sagen, dass sie die örtliche Polizei alarmieren sollte. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück, nahm das Telefon und wählte die Nummer ihres Handys.
Hier ist Charley Webb. Leider kann ich Ihren Anruf im Moment nicht entgegennehmen ...
»Scheiße!« Was war da los? In ihrer Verzweiflung wählte Charley den Notruf.
»Um was für einen Notfall handelt es sich?«, fragte eine Telefonistin.
»Ich muss mit der Polizei in Kissimee sprechen. Ein Mann ist unterwegs nach Disney World, um meinem Sohn etwas zu tun.«
»Verzeihung. Sie müssen langsamer sprechen. Ihr Sohn ist verletzt?«
»Noch nicht. Aber ein Mann namens Alex Prescott...«
»Ihr Name ist Prescott?«
»Nein. Mein Name ist Charley Webb. Hören Sie. Mein Sohn ist in Gefahr. Er ist in Disney World...«
»Tut mir leid, aber dann müssen Sie sich an die State Police wenden.«
»Gut. Können Sie mich verbinden?«
»Nein. Tut mir leid. Dafür sind wir nicht ausgestattet.«
Charley beendete das Gespräch und wählte die Nummer der Auskunft.
Für welche Stadt? , fragte sie eine Stimme vom Band munter.
»Ich kann das nicht«, murmelte Charley und unterbrach die Verbindung, als sich vor ihren Augen erneut alles zu drehen begann. Irgendwo in ihrem Hinterkopf kreiste eine Folge von Ziffern. Als sie endlich stillstanden, gab sie sie in das Telefon ein. Sekunden später meldete sich ein Mann.
»Glen«, rief Charley dankbar. »Hier ist Charley. Sie müssen mir helfen.«
KAPITEL 35
»Okay, Charley. Tief durchatmen. Versuchen Sie, sich zu beruhigen.«
Charley schnappte nach Luft wie eine Ertrinkende, die gerade zum dritten und letzten Mal untertaucht. Ihr Blick schoss nach vorne auf den Highway. Die Wagen auf den anderen Spuren glitten vorbei wie bunte Streifen, als Glen sie mit seinem silbernen Mercedes überholte. So würde James sie malen, dachte Charley und unterdrückte einen Schrei. »Können Sie nicht schneller fahren?«
»Ich fahre schon fast zweihundert«, erklärte Glen ihr. »Ich möchte uns gerne heil ans Ziel bringen.«
»Bringen Sie uns einfach hin«, flehte Charley, und eine Flut frischer Tränen strömte über ihre Wangen, bis Glens attraktive Gesichtszüge vor ihren Augen zu einer Reihe sich kreuzender Linien und frei schwebender Flächen verschwammen wie auf einem abstrakten Porträt. »Erzählen Sie mir noch mal, was die Polizei gesagt hat, als Sie mit ihr telefoniert haben.« Charley versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, aber ihr Gehirn schien wie mit Teflon beschichtet, sodass nichts haften blieb. Sie hatte eine vage Erinnerung, dass Glen gesagt hatte, die Polizei wolle, dass sie an Ort und Stelle blieb, um für Fragen zur Verfügung zu stehen, aber dazu war Charley nicht bereit gewesen. Sie erinnerte sich an Glens frustrierten Ton, als der wiederholt versucht hatte, der State Police die Dringlichkeit der Lage zu vermitteln. Und an das plötzliche Schweigen am anderen Ende,
als Glen den Namen Jill Rohmer erwähnt
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