Die Katze
Bademäntel, einen weiteren Druck von einem gelben Calder-Mobilee und ein Poster des Museum of Modern Art in New York mit einem Akt von Picasso, der nackte Körper der Frau eine Ansammlung spitzer Winkel und sich kreuzender Bögen. Daneben hingen drei Bilder, die Charley nicht erkannte. Sie erhob sich von dem Sofa,
um sie genauer zu betrachten und in den kraftvollen Wirbeln eine Signatur auszumachen.
»Ich hoffe, du magst deinen Kaffee schwarz«, sagte ihr Bruder mit einem Blick in den Kühlschrank. »Zucker und Milch sind mir offenbar ausgegangen.«
»Schwarz ist prima. Von wem ist dieses Bild?«
Ihr Bruder trat hinter sie. »Gefällt es dir?«
»Sehr sogar. Wo hast du das her?« Sie nahm von Bram einen Becher mit dampfendem Kaffee entgegen.
»Ich hab es gemalt«, sagte er, ließ sich auf das Sofa fallen und genoss Charleys verblüfften Gesichtsausdruck.
» Du hast das gemalt?«
»Dein Sohn ist nicht der Einzige mit künstlerischem Talent, weißt du.«
»Wann hast du das gemalt?«
»Letztes Jahr. In einem Kunstkurs. Die beiden hab ich auch gemacht.« Er wies auf eine abstrakte Landschaft in Pink und Grün sowie auf ein weiteres Gemälde mit scheinbar chaotisch verworrenen, knallroten Linien, die sich bei näherer Betrachtung elegant zum Gesicht eines Clowns fügten.
»Das ist großartig, Bram.«
»Ich wünschte, du würdest nicht so überrascht klingen.«
»Warum habe ich die noch nie gesehen?«
»Wahrscheinlich weil ich erst gestern Abend dazu gekommen bin, sie aufzuhängen.«
»Gestern Abend?«
»Ich hab ein bisschen aufgeräumt. Als Ausdruck meines neuen Ichs. Und zur Feier von zehn komplett nüchternen Tagen. Ich hab sogar beschlossen, nach Palm Beach zu fahren und meine Schwester zu besuchen, ihr die gute Neuigkeit persönlich zu überbringen.« Er lächelte wehmütig. »Das wird mir eine Lehre sein, in Zukunft vorher anzurufen.«
»Es muss ein ziemlicher Schock für dich gewesen sein, so plötzlich vor unserer Mutter zu stehen.«
»Ich nehme an, früher oder später musste es passieren.«
»Woher wusstest du, dass sie es war? Du hast sie seit …«
»… zweiundzwanzig Jahren nicht gesehen?«, fragte Bram mit einem spöttischen Grinsen.
»Ja, du wusstest sofort, wer sie war.«
»Ja, das wusste ich. Nennt man das nicht mütterlichen Instinkt? Oh, nein, warte, den soll angeblich die Mutter haben.«
»Bram …«
»Komischerweise habe ich mich, als ich den Civic vor deinem Haus gesehen habe, gefragt, was für ein Mensch ein lila Auto fährt.«
»Sie beharrt darauf, dass es malvenfarben ist«, sagte Charley, kehrte zum Sofa zurück, setzte sich neben Bram und trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Köstlich.«
»Noch eine meiner Spezialitäten.«
»Du steckst voller Überraschungen, was?«
»Genau wie du. Fährst an einem Donnerstagmorgen nach Miami, um nach deinem kleinen Bruder zu sehen. Musst du nicht arbeiten?«
»Glaubst du, das wäre keine Arbeit?«, fragte Charley zurück.
»Und wie hat die Frau mit dem lila Civic auf die flüchtige Erscheinung ihres Sohnes reagiert?«, wollte Bram nach einer längeren Pause wissen.
»Sie war ziemlich erschüttert.«
»Aber sie ist ziemlich schnell darüber hinweggekommen, oder?«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Aber ich.«
»Als sie dich zum letzten Mal gesehen hat, hast du noch in die Windeln gemacht.«
»Na, da kann man mal sehen. Hab mich kein bisschen verändert.«
» Sie aber.«
»Das Einzige, was sich verändert hat, sind die Umstände. Sie ist jetzt älter und ganz allein. In dem Moment, wo etwas - jemand - Besseres vorbeikommt, ist sie wieder weg, und das weißt du auch.«
»Das stimmt nicht.«
»Doch. Warum verteidigst du sie?«
»Ich verteidige sie nicht.«
»Wie hältst du es aus, auch nur im selben Zimmer mit ihr zu sein?«
»Sie ist unsere Mutter.«
»Bullshit! Du warst für mich mehr Mutter, als sie es je war.«
»Es tut ihr wirklich leid, Bram.«
»Sie ist eine egoistische Hexe. Ich verstehe nicht, wie du einfach verzeihen und vergessen kannst.«
»Ich habe nichts vergessen, das kannst du mir glauben.«
»Aber du hast es geschafft, ihr zu vergeben?«
»Ja. Nein«, verbesserte sie sich sofort. »Ich weiß nicht«, fügte sie unsicher hinzu. »Ich versuche es.«
»Warum?«
»Weil es ihr leid tut und sie alles wiedergutmachen will.«
»Tja, nun, damit kommt sie ein paar Jahrzehnte zu spät.«
»Du solltest einfach mal mit ihr reden …«
»Mit dieser Frau zu reden, ist das Letzte, was ich
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