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Die Katzen von Ulthar

Die Katzen von Ulthar

Titel: Die Katzen von Ulthar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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unlängst gefundenen Schlüssel allein in seinem Wagen davonfuhr. Parks hatte ihm geholfen, den Schlüssel aus dem Kasten zu holen, und sich dabei von den grotesken Schnitzereien auf dem Deckel und von noch etwas anderem, das er nicht bezeichnen konnte, merkwürdig ergriffen gefühlt. Als Carter ging, hatte er gesagt, er wolle sein altes Herkunftsland bei Arkham besuchen.
    Auf halber Höhe des Elm Mountain, auf dem Weg zu den Ruinen des alten Carterschen Anwesens, entdeckten sie seinen sorgfältig am Straßenrand abgestellten Wagen; und darin lag ein Kasten aus duftendem Holz mit Schnitzereien, die die Bauern erschreckten, die ihn zufällig fanden. Der Kasten enthielt nur ein wunderliches Pergament, dessen Schriftzeichen kein Linguist oder Paläograph entziffern oder identifizieren konnte. Eventuelle Fußspuren hatte der Regen längst verwischt; obwohl nach Meinung der Mitglieder der Bostoner Untersuchungskommission einiges dafür sprach, daß sich jemand zwischen den eingestürzten Balken des Carterschen Anwesens zu schaffen gemacht hatte. Es schien, behaupteten sie, als hätte vor nicht allzu langer Zeit jemand in den Ruinen herumgestöbert. Ein gewöhnliches, weißes Taschentuch, das man zwischen Waldfelsen auf der jenseitigen Hügelflanke sicherstellte, läßt sich nicht als Eigentum des Vermißten identifizieren. *
    Es geht die Rede, man wolle Randolph Carters Besitz unter seinen Erben aufteilen, doch ich werde mich diesem Vorhaben entschieden widersetzen, denn ich glaube nicht, daß er tot ist. Es existieren Verschlingungen von Zeit und Raum, von Vision und Realität, die nur ein Träumer erahnen kann; und aus dem, was ich über Carter weiß, schließe ich, daß er bloß einen Weg gefunden hat, diese Irrgärten zu durchqueren. Ob er jemals zurückkommen wird, weiß ich nicht. Ihn verlangte nach dem Land der Träume, das er verloren hatte, und er sehnte sich nach den Tagen seiner Kindheit. Dann fand er einen Schlüssel, und irgendwie glaube ich, daß er es geschafft hat, ihn zu wunderlichem Nutzen zu gebrauchen.

103
    Ich werde ihn fragen, wenn ich ihn sehe, denn ich erwarte, ihm schon bald in einer gewissen Traumstadt zu begegnen, die wir beide aufzusuchen pflegten. In Ulthar, jenseits des Flusses Skai, munkelt man von einem neuen König, der auf dem Opalthron von Ilek−Vad regiert, jener fabulösen Stadt der Türmchen, oben auf den hohlen Glasklippen, die das Dämmermeer überschauen, worin die bärtigen und flossenbewehrten Gnom ihre eigentümlichen Labyrinthe anlegen, und ich glaube, ich weiß schon, wie dies Gerücht zu deuten ist. Wahrlich, ich sehe dem Anblick jenes großen Silberschlüssels voll Ungeduld entgegen, denn in seinen kryptischen Arabesken stehen vielleicht alle Ziele und Mysterien eines blinden, unpersönlichen Kosmos symbolisiert.
    Durch die Tore des Silberschlüssels
    In einem weiten Raum, der mit sonderbar gemusterten Wandbehängen ausgekleidet und mit Boukharateppichen von eindrucksvoller Antikheit und Meisterschaft bedeckt war, saßen vier Männer um einen dokumentenübersäten Tisch. Aus den fernen Ecken, wo ein unglaublich alter Neger in düsterer Livree hin und wieder seltsame schmiedeeiserne Dreifüße nachfüllte, stiegen die hypnotischen Dämpfe indischen Weihrauchharzes; während in einer tiefen Nische des Zimmers eine kuriose, sargförmige Standuhr tickte, deren Zifferblatt verwirrende Hieroglyphen trug, und deren vier Zeiger nicht in Übereinstimmung mit irgendeinem auf diesem Planeten bekannten Zeitsystem vorrückten. Es war ein eigenartiger und sinnverstörender Raum, doch dem eben vorliegenden Anlaß wohl angemessen. Denn dort, in New Orleans, im Hause des größten Mystikers, Mathematikers und Orientalisten dieses Kontinents, wurde schließlich der Nachlaß eines kaum weniger bedeutenden Mystikers, Gelehrten, Schriftstellers und Träumers geregelt, der vier Jahre zuvor vom Antlitz der Erde verschwunden war.
    Randolph Carter, der sein ganzes Leben danach getrachtet hatte, aus der Langeweile und den Beschränkungen der wachen Realität in die lockenden Ansichten der Träume und die fabelhaften Prachtstraßen anderer Dimensionen zu entfliehen, entschwand am siebenten Oktober 1928 aus dem Angesicht der Menschen. Seine Laufbahn war wunderlich und einsam gewesen, und da gab es jene Leute, die aus seinen merkwürdigen Romanen auf viele Episoden schlössen, die bizarrer klangen, als alles was von seiner Lebensgeschichte bekannt war. Seine Verbindung zu Harley Warren, dem Mystiker

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