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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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Tasche etwas nach hinten, sodass sie unter ihrem Mantel verborgen wurde. Man hatte ihr nichts von ihrer ohnehin bescheidenen Habe weggenommen.
    Bis jetzt zumindest.
    Den Frauen, mit denen sie nun allerdings zusammen eingesperrt war, traute sie nicht über den Weg, keiner von ihnen. Und der Grund dafür, dass sie alle eingesperrt worden waren, war ihr auch nicht klar.
    Es war so eng, dass gar nicht daran zu denken war, hier zu schlafen. Kaum ein Drittel der Frauen hätte sich hinlegen können. Es war nicht einmal Platz genug, dass alle sich hinsetzen konnten.
    Von dem Stroh auf dem Boden ging ein scharfer Geruch aus, der so penetrant und unangenehm war, dass Johanna ohnehin nicht daran gedacht hätte, sich hinzusetzen. Nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Es war der Geruch von Rattenurin. Johanna erinnerte sich an den Kerker in Köln, wo sie Frederik besucht hatte. Dort hatte es ähnlich gerochen.
    Eine ganze Weile herrschte Schweigen unter den Frauen. Dann fing eine von ihnen an zu sprechen. Was sie sagte, verstand Johanna nicht – nur einzelne Wörter, die ihrer eigenen Sprache ähnlich klangen oder sogar aus dem Hanseplatt übernommen worden waren.
    Stunden vergingen. Die Stimmung unter den Frauen wurde immer gereizter.
    Eine von ihnen sprach Johanna schließlich an.
    »Tut mir leid, ich verstehe dich nicht«, sagte Johanna.
    »Eine Plattdeutsche?«
    »Ja.«
    »Ich kann deine Sprache – ein bisschen«, sagte die Frau. »Es sind immer viele Männer in der Stadt, die sprechen wie du. Früher. Jetzt nicht mehr.«
    »Es ist Krieg.«
    »Daran liegt es«, sagte die Frau. Sie hatte rotes Haar, und die Schminke in ihrem Gesicht war im Handgemenge mit den Waffenknechten verschmiert worden. Irgendeiner von ihnen musste jetzt wohl eine zusätzliche Farbe in seiner Livree haben.
    »Warum sind wir eingesperrt?«, fragte Johanna die Rothaarige schließlich, nachdem sie noch ein paar Worte miteinander gewechselt hatten, wovon Johanna nicht immer alles verstanden hatte.
    Die Rothaarige sah Johanna ungläubig an, tauschte dann ein paar Blicke mit einigen der anderen Frauen aus, von denen wohl auch einige Johannas Worte ganz gut verstanden hatten.
    Dann brach lautes Gelächter im Kerker aus.
    Es wurde so laut, dass schließlich die barsche Stimme eines Wächters dafür sorgen musste, dass es aufhörte.
    »Was ist so lustig daran?«, fragte Johanna.
    »Weißt du es wirklich nicht?«, fragte die Rothaarige grinsend. Sie hatte noch gute Zähne. Offenbar war sie viel jünger, als ihre Schminke vermuten ließ.
    Anscheinend bin ich hier wirklich die einzige Ahnungslose, dachte Johanna.
    »Am Tag keine Huren in der Festung«, sagte die Rothaarige dann. »So heißt die Regel. Männer sollen arbeiten, nicht andere Sache denken und abgelenkt werden.«
    Jetzt dämmerte es Johanna, was geschehen war. Man hatte sie für eine Hübschlerin gehalten und deswegen zusammen mit den anderen eingesperrt.
    »Ja, aber es gab viele Hübschlerinnen dort«, meinte sie.
    Die Rothaarige nickte. »Niemand hat sich an die Regel gehalten – bis jetzt! Und niemand hat durchgesetzt, dass sie befolgt wird.«
    »Und warum dann heute?«
    »Warum? Ich weiß es nicht! Niemand weiß das. Vielleicht waren es zu viele von uns.«
    »Der Vogt will unsere Frauenwirte bezahlen lassen«, vermutete eine der anderen Frauen. »Es ist doch immer dasselbe. Wenn zu wenig Schiffe vorbeikommen oder er aus einem anderen Grund ein Loch in seiner Börse hat, dann gelten plötzlich die Regeln.«
    Die anderen raunten etwas Zustimmendes, soweit sie die Worte dieser Frau verstanden hatten. Aber die meisten von ihnen sprachen wohl gut genug Platt, um sich immerhin mit den Hanse’schen Seeleuten verständigen zu können.
    »Jetzt dauert es ein paar Stunden, die wir in diesem Loch zubringen müssen. Dann lösen unsere Wirte uns aus, und man lässt uns wieder frei.«
    »Und … was ist, wenn man keinen Wirt hat?«, fragte Johanna.
    Die anderen Frauen sahen sich gegenseitig an. Einige wechselten ein paar Worte in der Dänensprache, und schließlich sagte die Rothaarige: »Dann hast du Pech gehabt.«
    Es dämmerte schon, und selbst das bisschen Licht, das durch das vergitterte Fenster in die Zelle schien, drohte nun zu verlöschen. Da wurde die äußere Kerkertür aufgeschlossen, und wenig später holten die Waffenknechte die erste Hübschlerin aus der Zelle, die von ihrem Wirt ausgelöst worden war. Dreimal musste sie daraufhin schwören, nicht mehr gegen die Regeln zu

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