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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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verstoßen.
    »Sie wird es trotzdem wieder tun«, raunte die Rothaarige Johanna zu. »Wir gehen halt dorthin, wo die Männer sind. Und die sind zurzeit eben auf der Festung.« Sie zuckte mit den Schultern. Es dauerte nicht lange, und auch sie wurde ausgelöst.
    »Kann man sich auch selbst auslösen?«, fragte Johanna die Rothaarige, bevor sie abgeholt wurde.
    »Was meinst du damit?«
    »Wenn man selbst Geld hat.«
    »Wenn dich kein Wirt auslöst, bleibst du hier.«
    »Aber …«
    »Der Wirt muss dafür sorgen, dass du nicht wieder hierherkommst.« Die Rothaarige beugte sich etwas näher zu Johanna. »Wenn du Geld hast, sag nichts davon. Sonst nehmen sie es dir weg. Und zwar alles. Habe ich schon erlebt.«
    Nach und nach leerte sich die Zelle. Schließlich löste ein Wirt gleich ein ganzes Dutzend der Frauen aus.
    Es sah ganz so aus, als würde Johanna nun allein zurückbleiben – und als Einzige die Nacht in diesem finsteren, feuchtkalten Loch verbringen müssen. Da kam einer der Wächter herein.
    »Du!«, sagte er.
    »Was willst du von mir?«
    »Komm!«
    »Aber …«
    »Komm! Frei – jetzt«, sagte der Waffenträger, der offenbar begriffen hatte, dass sie seine Sprache nicht verstand. Er selbst konnte nur ein wenig Niederdeutsch.
    Johanna folgte ihm. Im Kerkergang stand eine finster wirkende Gestalt. Der Waffenknecht hatte eine Fackel an der Wand befestigt, und im Licht der Fackel wirkte die Gestalt unheimlich. Ein kuttenähnliches Gewand reichte fast bis zum Boden. Die Kapuze war so tief ins Gesicht gezogen, dass das durch die Zugluft unruhige Licht der Fackel das Dunkel darunter nicht zu erhellen vermochte. Es fehlt nur noch die Sense in der Hand, dann sähe er aus wie der Schnitter Tod.
    Aber dann fiel ihr etwas auf, was ihre Angst verfliegen ließ.
    Unter dem langen Gewand ragte etwas hervor. Es war die Spitze eines Schwertes. Sie wurde sofort an eine Waffe erinnert, die sie mal in Aufbewahrung hatte nehmen müssen …
    Frederik, durchfuhr es sie.
    Aus dem Dunkel unter der Kutte drang eine Stimme, und obwohl die Worte in der Sprache des Nordens gesprochen wurden, war nun jeder Zweifel ausgeräumt. Er ist es!
    Frederik sprach mit dem Waffenknecht, gab ihm einige Münzen und wandte sich dann an Johanna. »Komm!«, sagte er.
    »Wohin immer du willst«, brachte Johanna aufgeregt und erleichtert hervor.
    Sie gelangten schließlich ins Freie. Johanna drehte sich noch mal um, weil sie sehen wollte, ob einer der Waffenknechte ihnen folgte. Aber das war nicht der Fall.
    Vom Haupttor der Festung aus war noch das Gelächter einiger Hübschlerinnen zu hören, die mit Johanna zusammen eingesperrt gewesen waren und jetzt mit ihrem Wirt in die Stadt zurückkehrten.
    »Frederik!«, stieß Johanna hervor und griff nach seiner Hand.
    »Sprich diesen Namen nicht aus«, erwiderte er. »Und komm jetzt, ohne Aufsehen zu erregen.«
    »Wohin?«
    »Auf jeden Fall muss ich dich aus der Festung hinausbringen. Und ich bürge dafür, dass du nicht in eindeutiger Absicht dorthin zurückkehrst!«
    »In eindeutiger Absicht? Wofür hältst du mich?«
    »Für die wunderbarste Frau, die mir je begegnet ist. Aber jetzt müssen wir erst einmal zusehen, dass wir nicht beide in Schwierigkeiten kommen.«
    »Ich …«
    »Später. Ich werde dir alles erklären – und du mir vielleicht auch einiges. Bis dahin sei einfach still. Hier sind überall Ohren – und wie du vielleicht inzwischen bemerkt haben dürftest, verstehen sehr viele mehr deine Sprache, als man gemeinhin denken könnte!«

D reiunddreißigstes K apitel

    Eine Nacht des Glücks
    Sie näherten sich dem Festungstor. Ein paar bewaffnete Wächter taten gelangweilt ihren Dienst. Das Fallgatter war hochgezogen und würde es in der Regel auch bis spät in der Nacht bleiben. In Helsingborg war kaum ein Angriff zu befürchten. Und wenn doch, dann kam er von der Seeseite und war lange im Voraus zu erkennen, selbst bei Nacht, wenn sich das Mondlicht im Meer spiegelte und die Sterne für genug Helligkeit sorgten. Bei gutem Wetter sah man auf der anderen Seite des Öresunds die Feuer brennen.
    Normalerweise hätte die Arbeit um diese Zeit längst geruht. Aber es herrschten keine normalen Zeiten – weder in Helsingborg noch anderswo. Die Kriegsvorbereitungen duldeten keinen Aufschub, und so kam Frederik und Johanna selbst jetzt noch ein Ochsenkarren entgegen, der mit Steingeschossen beladen war, die später als Katapultmunition wieder den entgegengesetzten Weg antreten würden, sobald die

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