Die Kaufmannstochter von Lübeck
Moment, Grete!«, rief Johanna ihr hinterher.
Grete blieb stehen. »Was ist noch?«
»Erinnerst du dich an Herward von Ranneberg? Er war vor langer Zeit mal bei uns in Lübeck und hat es hier in Köln zu Ansehen und Reichtum gebracht.«
Grete zuckte mit den Schultern. »Wie sieht er denn aus?«
»Grauhaarig und hager ist er – zumindest heute. Er soll deinen künftigen Gemahl auf seiner Mission begleitet haben.«
»Dann habe ich den Namen vielleicht schon mal gehört. Wie kommst du jetzt auf ihn?«
»Ich bin ihm gestern am Dom begegnet.«
»Dann müsste Pieter auch zurückgekehrt sein!«, entfuhr es Grete. »Wieso hast du mir das gestern Nacht nicht gleich gesagt! Das ist doch eine Neuigkeit, die ich unbedingt wissen muss!«
Grete war plötzlich sehr aufgeregt. Und genau das hatte Johanna eigentlich vermeiden wollen.
»Warte, Grete.«
»Vater muss das auch wissen.«
»Herward kehrte offenbar ohne Pieter zurück.«
»Aber …«
»Den Grund kenne ich nicht, aber ich hörte, wie Frederik von Blekinge aus der Delegation des Königs von Schweden mit ihm darüber sprach, und es könnte sein, dass dein zukünftiger Gemahl noch etwas länger zu tun haben wird.«
»Das ist wirklich eigenartig.«
»Ich würde mir keine Sorgen machen. Die Verhandlungen, derentwegen Pieter aufbrach, sind sehr schwierig. Es ist doch immer dasselbe: Welche Stadt rückt schon freiwillig Geld heraus, damit die lübische Hansevormacht, die viele sowieso schon für zu mächtig halten, ihre Flotte vergrößern und Söldner anwerben kann! Ihnen klarzumachen, dass das alles zu ihrem eigenen Vorteil sein wird, erfordert wohl mehr Geduld, als man sich vorstellen kann.«
»Nun, etwas eigenartig ist das alles schon«, meinte Grete, und ihr Gesicht wurde sehr nachdenklich. Eine tiefe Furche bildete sich auf ihrer ansonsten vollkommen glatten Stirn.
»Ich bin davon überzeugt, dass Pieter sich sofort bei dir und unserem Vater gemeldet hätte, wenn er mit Herward von Ranneberg zurückgekehrt wäre. Schließlich weiß dein zukünftiger Gemahl doch, wie sehnlichst er hier in Köln erwartet wird und dass alles darauf drängt, dass die Hochzeit stattfinden kann.«
»Es wird ihm hoffentlich nichts geschehen sein«, meinte Grete. »Aber er pflegt ja mit einer Schar von Bewaffneten zu reisen. Jedenfalls hat er mir das in einem seiner Briefe so geschildert.«
»Ich hätte Herward gestern Abend gerne selbst danach gefragt, aber er hatte wohl etwas sehr Dringendes im Dom zu erledigen.« Johanna seufzte. »Aber vielleicht wollte er einfach nur Gott danke sagen – nach der langen und sicher nicht ungefährlichen Reise.«
»Ich bin überzeugt, dass du dein Bestes gegeben hast, um mehr zu erfahren, Johanna.«
»Du solltest vielleicht heute mit ins Rathaus kommen.«
»Du weißt doch, ich nehme nie an diesen Beratungen teil und hätte dort auch gar keinen Platz.«
»Wenn du Vater erzählst, was ich dir gerade gesagt habe, dann wird er dich sicherlich mitnehmen, und niemand wird das dem Ratsgesandten aus Lübeck verwehren.«
»Du meinst, dass man heute im Rathaus mehr über Herward und Pieter erfahren wird?«
»Ich bin mir ganz sicher. Welchen Grund sollte Herward denn haben, seine Rückkehr nach Köln geheim zu halten? Nein, es interessiert doch alle dort, was er inzwischen erreichen konnte! Und vielleicht kommt es auch endlich zu ein paar weitergehenden Beschlüssen, die Waldemar endlich das Fürchten lehren werden!«
Grete lächelte. »Und so martialisch spricht eine zukünftige Nonne?«, wunderte sie sich.
»Nun, ich …«
»Ich kann mir nicht einmal eine strenge Äbtissin vorstellen, die so redet!«
»Jetzt verwirr mich nicht!«
»Jemand, der genau weiß, wo sein Weg hinführt, den kann man nicht verwirren, Johanna.«
»Ach, sprichst du da aus Erfahrung?«
»Vielleicht. Übrigens war gerade noch etwas sehr eigenartig, Johanna.«
Johanna sah ihre Schwester ratlos an und zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung, wovon du jetzt sprichst.«
»Vorhin hast du den Namen Frederik, den du im Schlaf gemurmelt hast, erneut ausgesprochen, nämlich als du von diesem Schweden erzähltest.« Grete hob die Augenbrauen. »Ist mir nur so aufgefallen. Ob das etwas zu bedeuten hat, weißt vermutlich nur du ganz allein.«
S echzehntes K apitel
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Moritz von Dören erschien in Begleitung von seinen beiden Töchtern sowie Bruder Emmerhart und Bürgermeister Brun Warendorp im Langen Saal des Kölner Rathauses. Sie gehörten
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