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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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sollen? Den Tumult im Rathaus zu einer tollkühnen Flucht zu nutzen wäre unter den gegebenen Umständen wohl kaum möglich gewesen.
    Ratten und Spinnen waren seine einzigen Mitbewohner. Aus einer Unterhaltung unter den Wächtern hatte Frederik erfahren, dass der Rat der Stadt offenbar kurz vor Beginn des Hansetages eine Amnestie verfügt hatte. Man wollte für den Notfall gewappnet sein und die Kerkerzellen als Schlafräume für die Stadtwachen nutzen können, falls wichtige Gesandte, die nirgends eine Unterkunft gefunden hatten, in den Quartieren der Stadtwache untergebracht werden mussten. Bisher war dieser Fall offenbar nicht eingetreten.
    Zwischendurch war Gustav Bjarnesson erschienen und hatte immerhin dafür gesorgt, dass Frederik einen Krug mit frischem Wasser und einen Korb mit Essbarem bekam.
    Zumindest in dieser Hinsicht brauchte er also nicht zu leiden, wenn er auch sehr aufpassen musste, die Speisen gegen die räuberischen Ratten und Mäuse zu verteidigen. An tiefen, festen Schlaf war unter diesen Umständen natürlich nicht zu denken.
    Frederik horchte auf, als er hörte, wie das Schloss des Haupteingangs geöffnet wurde. Schritte und Stimmen drangen an sein Ohr.
    Das konnte alles Mögliche bedeuten. Gutes und Schlechtes. Vielleicht würde man ihn jetzt endlich einem Richter vorführen, sodass er Gelegenheit bekam, sich zu verteidigen und die Dinge so darzustellen, wie sie wirklich gewesen waren. Allerdings hatte Frederik mittlerweile das Gefühl, dass es darauf vielleicht gar nicht mehr ankam. Es ging hier nicht um die Wahrheit, das war ihm inzwischen klar geworden, sondern darum, einen Schuldigen zu finden.
    Einen Schuldigen für ein perfides Verbrechen, das von anderen begangen worden war – mit der Absicht, ein Bündnis gegen König Waldemar wenn nicht ganz zu verhindern, dann doch wenigstens stark zu schwächen.
    Und Frederik hatte inzwischen auch verstanden, dass sein Wort – das eines Fremden – wohl kaum etwas zählte, wenn dagegen der Schwur eines Herward von Ranneberg stand, der hier zu Hause und hoch geachtet war.
    Die Schritte näherten sich, und Frederik vernahm einzelne Worte in der vertrauten Sprache seiner Heimat.
    Er sah durch die vergitterte Öffnung in der schweren Holztür seiner Kerkerzelle. Gustav Bjarnesson kam in Begleitung zweier bewaffneter Wächter den von Fackeln erhellten Gang entlang.
    Wenig später wurde die Tür aufgeschlossen.
    »Es ist nett, dass Ihr mich nicht verhungern lasst«, meinte Frederik mit Blick auf den Essenskorb, den Gustav Bjarnesson mitgebracht hatte.
    »Leider ist das momentan das Einzige, was wir für Euch tun können«, meinte Gustav.
    Erst jetzt bemerkte Frederik die eher zierliche, in einen Kapuzenmantel gehüllte Gestalt, die zusammen mit dem schwedischen Gesandten in den Kerker gelangt war. Vom Gesicht war nichts zu sehen, denn es lag vollkommen im Schatten. Erst als der Kerkerwächter die Fackel etwas anhob, die er in der Hand hielt, sah Frederik, wer zu ihm gekommen war.
    »Johanna!«, entfuhr es ihm überrascht.
    »Ich musste mich unbedingt davon überzeugen, dass es Euch gut geht«, sagte sie.
    »Den Umständen entsprechend. Und wenn ich weiterhin so viel zu Essen bekomme, wird das wohl dazu führen, dass die Ratten und ich noch Freunde werden.«
    »Ihr nehmt es leicht, aber Eure Lage ist ernst«, sagte Johanna.
    »Du redest wieder so förmlich mit mir, als wären wir in feiner Gesellschaft und müssten verbergen, dass wir uns kennen. Aber der da«, Frederik deutete auf Gustav Bjarnesson, »versteht diese Feinheiten Eurer Sprache sowieso nicht. Da, wo er herkommt, redet jeder wie ein Bauer. Und dem finsteren Kerkerwächter da vorne ist das wohl auch herzlich gleichgültig.«
    Gustav Bjarnesson meldete sich nun zu Wort. Da er in seiner Heimatsprache redete, verstand Johanna nichts.
    »Was hat er gesagt?«, fragte sie.
    »Etwas sehr Unanständiges, was nichts für die Ohren einer frommen jungen Frau sein sollte, die ihren Entschluss, Nonne zu werden, ja zu meinem tiefsten Bedauern noch immer nicht ganz aufgegeben hat«, gab Frederik zurück.
    »Heute wurden die Toten zurückgebracht«, wechselte Johanna das Thema. »Bürgermeister Overstolz ist selbst mit zum Ort des Geschehens geritten, wo sich das Blutbad zugetragen haben soll. Und nun stehen Eure Aussichten denkbar schlecht.«
    »So?«
    »Die Aussage von Herward von Ranneberg scheint sich bestätigt zu haben. Zumindest ist das wohl die vorherrschende Ansicht.«
    »Kein Wunder! Wenn

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