Die Kaufmannstochter von Lübeck
kräftigen Frederik wie einen mageren Hänfling erscheinen.
Hartmut stellte ein paar leere und notdürftig ausgewaschene Bierkrüge auf den Schanktisch und runzelte die Stirn, während er sein Gegenüber intensiv anstierte. Dann hellten sich Hartmuts Züge auf. »Natürlich kenne ich dich noch, Schwede!«
»Es ist erst ein paar Wochen her.«
»Ja, aber da warst du nicht allein!«
»Das stimmt.«
»Allerdings warst du wohl der Einzige in eurem Haufen, der Platt gesprochen hat! Wo sind die anderen geblieben?«
»Die bleiben noch eine Weile in Köln und werden wohl erst später eintreffen.«
Hartmut hob die Hände, zwei riesige Pranken mit dicken, wulstigen Fingern. »Ich wollte dich nicht ausfragen, und es geht mich auch nichts an, weswegen euer Haufen von Männern nach Süden geritten ist.«
»Ich muss, so schnell es geht, zurück in den Norden«, erwiderte Frederik.
»Und wo genau in den Norden willst du hin?«
»Das spielt kaum eine Rolle. Bin ich erst mal auf der anderen Seite der Ostsee, komme ich schnell weiter.«
Der Wirt sah Frederik nachdenklich an und nickte dann leicht. »Ich habe gehört, dass morgen früh ein Schiff nach Visby ausläuft.«
»Das wäre mir recht.«
»Und was kannst du zahlen?«
»Ich habe ein Pferd.«
»Das werde ich mir gleich mal ansehen, ob es auch etwas taugt. Wenn ja, dann tausche ich dir das Pferd gegen Silber, und damit kannst du dann eine Überfahrt bezahlen.«
Frederik nickte. Da das Silber, das Johanna ihm gegeben hatte, größtenteils aufgebraucht war, musste er sich wohl oder übel von seinem Pferd trennen. »In Ordnung«, stimmte er zu. »Und eine Übernachtung in einem Bett, das frei von Wanzen ist, sowie eine gute Mahlzeit ohne verdorbenes Fleisch dürfte wohl auch noch drin sein!«
Hartmut lachte. »Erst will ich den Gaul sehen.«
Am nächsten Tag fand sich Frederik in aller Frühe an einer der zahlreichen Anlegestellen am Hafen ein und ging an Bord der Wellenbraut , einer mittelgroßen Kogge.
Das Schiff war ziemlich überladen und lag tief im Wasser. Bis zum offenen Meer wurde gerudert, dann wurden die Segel gesetzt, allerdings stark gerefft, da man wohl damit rechnete, dass der ohnehin schon ziemlich böige Wind noch zunehmen würde und man nicht beim nächsten Windstoß mitsamt der wertvollen Ladung in die Tiefe gerissen werden wollte.
Der Kapitän war ein grauhaariger Mann mit struppigem Bart und Haaren, die so verfilzt waren, dass es unmöglich schien, sie jemals wieder zu entwirren. Die Haut war faltig und stark gebräunt und erinnerte an gebrauchtes Leder.
»Wem gehorcht dieses Schiff?«, fragte Frederik einen der Seeleute, nachdem die Kogge die Meerenge zwischen dem pommerschen Festland und der Insel Rügen hinter sich gelassen und das offene Meer erreicht hatte. Von da an waren alle an Bord etwas entspannter, zumal nun ein günstiger Wind blies, der dafür sorgen würde, dass die Wellenbraut ihr Ziel schnell erreichte.
»Immer dem Kapitän«, meinte der Seemann. Er war rothaarig und hatte eine Narbe an einer Wange. Die konnte von einer Verletzung kommen, die er sich in der Takelage geholt hatte – aber genauso gut war es möglich, dass man ihn wegen Diebstahls oder Betrugs gezeichnet hatte. »Und ich würde dir raten, es sich nicht mit ihm zu verscherzen, sonst lässt er dich über Bord werfen!«
Ein paar der anderen Männer lachten.
»Ich meine es ernst: Ich will nicht wissen, wer hier das Sagen hat, sondern wem das Schiff gehört?«
»Du bist ganz schön neugierig«, meinte der Seemann. Frederik war inzwischen davon überzeugt, dass er tatsächlich gezeichnet war und dies zu verbergen versuchte, indem er sich selbst eine weitere Verletzung an gleicher Stelle zugefügt hatte. Darauf stand mancherorts allerdings eine erneute Zeichnung, denn streng genommen war auch dies ein Betrug. Schließlich hatten doch alle, die dem Betreffenden begegneten, ein Recht darauf, vor ihm gewarnt zu sein, da er in der Vergangenheit bereits gegen das Gesetz verstoßen hatte.
Der Gezeichnete verzog das Gesicht. »Hast du schon mal den Namen Berthold Metzger gehört?«
»Ehrlich gesagt: Nein.«
»Niemand ist in den letzten Jahren in Stralsund so schnell so reich geworden. Der handelt mit allem, was sich versilbern lässt, aber vor allem mit Getreide. Die Missernten anderswo haben ihn reich werden lassen, und das schlechte Wetter sorgt dafür, dass sein Woll- und Pelzhandel floriert, weil die Leute frieren und sich entsprechend einkleiden müssen.«
Frederik
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