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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman
Autoren: Iny Lorentz
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hören, Herr Ritter!«, rief einer seiner Bauern, der seit Monaten keinen Pflug und keine Sense mehr angefasst hatte.
    Gigging nahm sein Schwert von der Kehle des Kerls, den er gerade niedergeschlagen hatte, und schwang es gegen den Sprecher. »Da hast du deine Antwort, du Hund!« Mit einem sauberen Hieb trennte er ihm den Kopf von den Schultern und funkelte dann die anderen Kerle an. »Wagt es nie mehr, mich auf diese Weise zu reizen! Ich bin der Herr hier, und es geschieht alles so, wie ich es will, habt ihr verstanden?«
    Seine Härte machte Eindruck auf die Männer, und sie wichen kleinlaut zurück. Dennoch war Gigging klar, dass sie in einigen Tagen erneut anfangen würden, sich zu beschweren. Die Männer waren wie Hunde, die Blut geleckt hatten und nun immer mehr wollten. Wenn er nicht achtgab, würden sich bald die Ersten in die Büsche schlagen, um auf eigene Faust zu rauben.
    Welch ein elendes Gesindel, fuhr es ihm durch den Kopf, ohne daran zu denken, dass er selbst sie auf diesen Weg geführt hatte. So wie bisher ging es jedoch nicht mehr lange weiter. Irgendwann würde einer der Amtmänner des bayrischen Herzogs oder des Statthalters von Tirol Verdacht schöpfen, und dann war es vorbei mit dem freien Räuberleben. Gigging dachte an Haselegner. Mit dem Geld dieses Pfeffersacks und seinem eigenen Beuteanteil würde er seine Heimat verlassen und sich im Fränkischen oder Thüringischen ankaufen. Hier wurde ihm der Boden unter den Füßen zu heiß. Aber er konnte nicht einfach darauf warten, bis Haselegner zahlte. Dies würden seine Männer niemals zulassen.
    Daher musste er die Kerle so lange beschäftigen, bis er verschwinden konnte, ohne eine Spur zu hinterlassen. Das halb verschüttete Gebirgstal, welches sein Erbe darstellte, war es nicht wert, dass man ihm eine Träne nachweinte, auch wenn er hier so frei leben konnte wie sonst nirgends.
    Mit einem Lächeln, das seine Männer hätte warnen sollen, wandte er sich zu ihnen um. »Ihr verdammten Lumpenhunde wollt Beute sehen? Dann werden wir welche machen! Auch holen wir uns ein paar Tiroler Weiber. Einige Wochen werden sie schon durchhalten, selbst wenn ihr den ganzen Tag nicht mehr von ihnen herunterkommt.«
    Ein Jubelsturm antwortete ihm. Der Kamerad, den er eben erschlagen hatte, war ebenso vergessen wie ihre Aufsässigkeit.
    Gigging lachte und wies mit einer unbestimmten Geste zum Tal hinaus. »Ich werde heute noch losreiten und nachsehen, wo sich eine lohnende Beute findet. Morgen werdet ihr mir folgen. Wir treffen uns bei der alten Eiche bei Brannenburg. Gebt aber acht, damit euch niemand mit diesen schlimmen Schurken in Verbindung bringt, die seit mehreren Jahren das ganze Umland unsicher machen!«
    Wieherndes Gelächter erscholl, und Gigging spürte selbst, wie die Lähmung, die ihn seit der Entführung Ernst Rickingers erfasst hatte, von ihm wich. Er brauchte einen erfolgreichen Überfall nicht weniger als seine Männer. Außerdem erhöhte sich mit seinen Beuteanteilen die Wahrscheinlichkeit, dass er sich irgendwo als nobler Herr niederlassen konnte. Den Namen Gigging würde er ablegen müssen, aber zum Glück war es im Fränkischen möglich, zusammen mit Land und Dörfern auch einen neuen Namen zu erwerben.
    Zufriedener als in den letzten Tagen ging er durch die Reihen seiner Männer, klopfte dem einen oder anderen auf die Schulter und befahl schließlich, sein Pferd und ein weiteres zu satteln. Obwohl die Männer sonst kaum noch einen Finger rührten, standen die Pferde im Handumdrehen bereit. Gigging stieg in den Sattel und bestimmte den größten Schreier zu seinem Begleiter, damit dieser während seiner Abwesenheit nicht die anderen aufhetzen konnte. Als er zum Tor hinaustrabte, glaubte er für einen Augenblick zu fühlen, dass er einer leuchtenden Zukunft entgegenritt.
    Im Tal drehte er sich noch einmal um und musterte seine Burg. Um dieses alte Gemäuer brauchte er wahrlich nicht zu trauern. Zwar lebte seine Sippe hier seit mehr als dreihundert Jahren, doch reich geworden war keiner von ihnen. In einer Zeit, in der Geld und Gut im Grunde stärker zählten als edle Abkunft, hatten seine Ahnen sich stets für die falsche Seite entschieden. Er brauchte nur daran zu denken, dass Jakob Fugger, der lausige Enkel eines Webers, sich Fürst und Graf nennen durfte und so viel Geld besaß, dass er bei der nächsten Kaiserkür wohl aus einem spanischen König Carlos einen Kaiser Karl V. machen konnte. Die Pfeffersäcke hatten einfach zu viel Geld, und
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