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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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vornherein fest.
    Seinen Triumph auszukosten, kam Bruder Hilpert indes
nicht in den Sinn. Schließlich ging es hier nicht um persönliche Dinge, sondern
um Mord. Und es stand eine Menge auf dem Spiel. Zu viel, als dass er es sich
mit einem möglichen Zeugen hätte verderben können: »Und wo hast du das
Schreiben gelernt, wenn man fragen darf?«, hakte er nach, bemüht, seinem
Tonfall die Schärfe zu nehmen.
    »Beim Leutpriester«, druckste Wigbert herum und
scharrte verlegen mit dem Fuß. »War sogar kurz davor, auf die Lateinschule zu
gehen.«
    »Und warum wurde daraus nichts?«
    Der Totengräber fuhr mit der Handfläche über die
zerfurchte Stirn und trat verlegen auf der Stelle. »Weil er mich beim Klauen
erwischt hat, darum!«, räumte er widerwillig ein.
    »Und dann?«
    »Dann hat er seinen Buchenholzknüppel geholt und mich
zum Krüppel geschlagen.«
    »Aber warum hast du dich dann nicht …«
    »Gewehrt?! Mit zehn? Gegen einen Mann, der dreimal so
kräftig und doppelt so alt war wie ich? Wie denn das? Ich könne froh sein, dass
er nicht die Stadtknechte gerufen habe, hat er hinterher gesagt. Und wer weiß –
vielleicht hatte der Kerl sogar recht. Einer wie ich ist für die doch der
letzte Dreck!«
    »Und deine Eltern?«
    »Meine Mutter, meinst du?« Wigbert lachte kurz auf,
und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem abfälligen Grinsen. »Die hatte doch
alle Hände voll zu tun, uns über die Runden zu bringen! Und keinen Schimmer,
wer die Väter ihrer zwei Bälger sind.«
    »Agilulf ist dein Bruder, hab ich recht?« Eine
Viertelstunde zuvor hätte Bruder Hilpert diese Frage noch nicht gestellt. Jetzt
aber, wo es nichts mehr zu vertuschen gab, war die rechte Zeit dafür. Wigbert
war zwar ein Choleriker, aber noch lange kein Dummkopf. Nicht zuletzt deshalb
gab er seinen Widerstand auf.
    »Habt Ihr, Bruder, habt Ihr!«, bediente er sich
plötzlich der Höflichkeitsform. Ein Stimmungsumschwung, der Bruder Hilpert
nicht entging. »Zwar nur mein Halbbruder, um es genau zu sagen, aber immerhin!«
Wigbert lachte leise in sich hinein. »Schließlich hat er sich immer um mich
gekümmert. Zweifellos eine Ehre, mit einem der größten Halunken in ganz Franken
verwandt zu sein, findet Ihr nicht auch?«
    »Du sagst, er hat sich um dich gekümmert?«
    »Hat er. Auch wenn es ihm dreckig ging. War zwar ein
Ekelpaket und kam mit niemandem richtig aus – was im Übrigen auch für meine
Wenigkeit gilt –, aber wenigstens hat er mich nicht links liegen lassen und
sogar hin und wieder einmal besucht.«
    »So wie Freitagabend?«
    Der Totengräber, dem der fremde Mönch langsam
unheimlich wurde, nickte: »So wie Freitagabend!«, wiederholte er, während das
Erlebte an seinem inneren Auge vorüberzog.
    »Um als Gegenleistung für seine brüderliche Fürsorge
eine kleine Gefälligkeit einzufordern?«
    »Genau.«
    »Wobei es sich um besagten Brief und die sterblichen
Überreste dreier hier droben bestatteter Verbrecher gehandelt hat, hab ich
recht?«
    »Alle Achtung!«, rief Wigbert anerkennend und ohne
Häme aus. »Euer Scharfsinn ist wirklich bewundernswert.«
    »Und du hast sie ihm ausgehändigt – ganz einfach so,
ohne irgendwelche Fragen zu stellen?«
    »Auf die Gefahr hin, dass Ihr mich jetzt einsperren
lasst – ja!«, gab Wigbert mit entwaffnender Offenheit zu. »Ihr kennt meinen
Bruder nicht. Der gute alte Agilulf kann nämlich ganz schön unangenehm werden.«
    »Keine Ahnung, was er mit dem Brief vorgehabt hat?«
    »Zunächst nicht. Hat sich aber bis zu mir
herumgesprochen, was mein Bruderherz angestellt hat.«
    »Will heißen, du hast ihn seit Freitagabend nicht
wieder gesehen?«
    »Den Agilulf? Nee – oder habt Ihr etwa eine Ahnung, wo
er steckt?«
    »Allerdings.«
    »Und wo?« Erst jetzt, im Angesicht des
Zisterzienserbruders mit dem asketischen Gesicht, begann Wigbert allmählich zu
begreifen. Der Totengräber schluckte, fand nicht die richtigen Worte und ließ
sich auf einen Baumstumpf sinken. Dort blieb er einfach sitzen, stumm vor
ohnmächtigem Zorn. »Dann ist es also schiefgegangen!«, flüsterte er geraume
Zeit später, die Hände vor dem entstellten Gesicht.
    »Du sagst es.« Wigbert war keinen Deut besser als sein
Halbbruder, in gewisser Weise sogar noch gerissener. Doch Bruder Hilpert ließ
das verkrüppelte Häufchen Elend mit der Filzkappe und dem mit Flicken übersäten
Rock nicht kalt. Und so ließ er Wigbert in Ruhe und übte sich in Geduld.
    Lange zu warten brauchte er nicht. Kaum war er auf

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