Die Kinder aus Bullerbü
Bullerbü. Eigentlich hätten Lasse und Bosse und ich
natürlich die Rüben verziehen müssen, die zum Mittelhof
gehörten, und Britta und Inga die, die zum Nordhof
gehörten. Und Ole die, die zum Südhof gehörten. Stattdessen
halfen wir uns alle gegenseitig bei allen Rüben. Wir bekamen
für jede Reihe, die wir verzogen, Geld: vierzig Öre für die
langen und zwanzig für die allerkürzesten. Wir hatten
Schürzen aus Sackleinen umgebunden, damit uns die Knie
nicht wehtaten. Britta, Inga und ich hatten Kopftücher um,
sodass wir wie kleine Frauen aussahen, sagte Mama.
Wir hatten eine ganze Blechkanne voll Saft mitgenommen,
falls wir durstig werden sollten. Wir wurden auch sofort
durstig. Da nahmen wir lange Strohhalme und steckten sie in
die Kanne und lagen auf den Knien und tranken. Es war lustig,
den Saft durch den Strohhalm zu saugen, und wir tranken und
tranken. Und bald war die Kanne leer. Aber da nahm Lasse
die Kanne und lief zur Quelle, die seitwärts im Gebüsch war,
und holte Wasser für uns. Und dann tranken wir Wasser. Das
war ebenso lustig, schmeckte aber nicht so gut. Zum Schluss
legte Ole sich der Länge nach auf die Wiese und sagte: »Hört
ihr, wie es in mir gluckert?«
Er hatte so viel Wasser im Bauch, und wir horchten alle, wie es
in ihm gluckerte, wenn er sich bewegte.
Während wir Rüben verzogen, redeten wir die ganze Zeit und
erzählten uns gegenseitig Märchen. Lasse versuchte auch,
Spukgeschichten zu erzählen, aber Spukgeschichten sind
keine Spur unheimlich, wenn die Sonne scheint. Da wollte
Lasse, wir sollten versuchen, wer am schlimmsten fluchen
könnte. Aber das wollten Britta, Inga und ich nicht
mitmachen. Denn unsere Lehrerin hat gesagt, dass nur böse
Menschen fluchen. Da versuchte Lasse, allein zu fluchen, aber
das machte ihm wohl keinen Spaß, denn er hörte bald wieder
auf.
Am ersten Tag, als wir Rüben verzogen, war es am
lustigsten. Später wurde es etwas langweiliger, aber wir
mussten trotzdem weitermachen, denn die Rüben mussten ja
verzogen werden. Eines Tages, als wir gerade anfangen
wollten, sagte Lasse zu Ole: »Petruska saldo bumbum.«
Und Ole sagte: »Kolifink, kolifink.«
Und Bosse sagte: »Moisi doisi fidibum arrarat.«
Wir fragten, was sie damit meinten, und da sagte Lasse, es
wäre eine besondere Sprache, die nur Jungen verständen.
Es sei für Mädchen viel zu schwer.
»Haha«, sagten wir. »Ihr versteht es ja selber nicht.«
»Natürlich tun wir das«, sagte Lasse.
»Das Erste, was ich gesagt hab, bedeutete: Heute ist schönes
Wetter. Und dann hat Ole geantwortet: Sicher, sicher! Und
schließlich sagte Bosse: So ein Glück, dass die Mädchen das
nicht verstehen.«
Sie redeten noch allerhand Unsinn in ihrer Sprache.
Schließlich sagte Britta, wir hätten auch eine besondere
Sprache, die nur Mädchen verstünden, und dann begannen
wir, in dieser Sprache zu sprechen. Wir lagen den ganzen
Vormittag im Rübenfeld und sprachen in unseren
verschiedenen Sprachen. Ich konnte eigentlich keinen
Unterschied bei diesen Sprachen hören, aber Lasse sagte,
unsere Sprache sei richtig albern. Die Sprache der Jungen sei
viel besser, denn sie sei fast russisch.
»Kolifink, kolifink«, sagte Ole wieder. So viel hatten wir ja
von der Sprache der Jungen gelernt, dass wir wussten, dass es
»Sicher, sicher« bedeutete. Und jetzt nennen Britta, Inga und
ich Ole nie anders als Ole Kolifink.
Eines Nachmittags, als wir wieder einmal mit Rübenverziehen
beschäftigt waren, saßen wir auf einem Steinhaufen und tranken
unseren Kakao, den wir diesmal mitbekommen hatten, und
aßen die Butterbrote, die wir in unserem Korb mitgenommen
hatten, und da wurde der Himmel ganz dunkel, und es kam ein
furchtbares Gewitter. Es hagelte auch. Es hagelte so sehr, dass
richtige
Haufen dalagen wie die Schneehaufen im Winter. Da rannten
wir los, so schnell wir rennen konnten. Wir waren barfuß und
froren an den Füßen, als wir durch die Hagelhaufen liefen. »Wir
gehen zu Kristin ins Waldhaus«, sagte Lasse. Wir tun fast immer,
was Lasse sagt, und das taten wir jetzt auch. Kristin wohnt in
einem kleinen roten Haus, das nicht weit entfernt lag. Wir liefen dorthin, und zum Glück war Kristin zu Hause. Kristin ist eine
alte Frau, und sie sieht ungefähr aus wie eine Großmutter.
Ich habe sie oft besucht. Sie ist immer gut und freundlich zu
uns.
»Ach, du meine Güte! Ach, du meine Güte!«, sagte sie und
schlug die Hände zusammen. »Oj,
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