Die Kinder aus Bullerbü
unsere
Art, Menschen glücklich zu machen, richtig war. Deshalb
wollten wir am nächsten Tag die Lehrerin fragen, wie man es
nun eigentlich machen müsse. Fräulein Lundgren sagte, es sei
oft nur wenig dazu nötig. Man könnte einem alten Menschen,
der einsam und krank sei, ein Lied vorsingen oder einem, der
niemals Blumen bekäme, einen schönen Strauß bringen oder
mit jemandem, der sich einsam und verlassen fühlte,
freundlich sprechen.
Inga und ich beschlossen, es noch einmal zu versuchen. Und
am Nachmittag hörte ich, wie Agda Mama erzählte, Kristin im
Waldhaus sei krank. Ich rannte sofort zu Inga.
»Inga, haben wir ein Glück! Kristin im Waldhaus ist
krank! Komm, wir gehen hin und singen!«
Kristin freute sich tatsächlich, als sie uns sah. Aber
vielleicht wunderte sie sich, warum wir ihr nichts in einem
Korb mitgebracht hatten. Sonst bringen wir ihr immer etwas.
Wir dachten aber, sie werde schon noch glücklich werden,
wenn wir erst singen würden.
»Sollen wir dir etwas vorsingen, Kristin?«, fragte ich.
»Singen?«, fragte Kristin und machte ein erstauntes
Gesicht. »Warum denn?«
»Damit du glücklich wirst, Kristin«, sagte Inga.
»Ach so... ja, meinetwegen... singt nur«, meinte Kristin.
Und wir legten los mit »Wir sind zwei Musikanten«, dass es
im Haus dröhnte. Dann sangen wir »Bitterkalt der Nordwind
braust« – alle sieben Strophen. Ich fand, Kristin sah noch nicht
glücklicher aus, als sie vorher ausgesehen hatte. Deshalb
ließen wir noch »Stürmisch die Nacht und die See geht hoch«
und »Schlaf, du kleine junge Weide« und einige andere Lieder
folgen. Kristin sah nicht ein bisschen glücklicher aus. Inga und
ich wurden allmählich heiser, aber wir wollten nicht
aufhören, bevor wir Kristin so richtig glücklich gemacht
hatten, und wenn es auch noch so anstrengend war. Wir
wollten eben mit »Zehn kleine Negerlein« einen neuen
Versuch machen, da krabbelte Kristin aus dem Bett und sagte:
»Singt nur weiter. Singt, so viel ihr wollt! Ich muss mal eben
nach draußen.«
Inga und ich fanden, es hatte keinen Zweck mehr, noch ein
Lied anzufangen. Wir sagten Kristin auf Wiedersehen.
»Vielleicht geht es besser, wenn wir jemandem Blumen
schenken, der sonst nie Blumen bekommt«, sagte Inga. Und
wir liefen sofort zur Nordhofwiese und pflückten einen
Strauß Heide. Es war wirklich ein hübscher Strauß, und den
nahmen wir mit zum Stall. Oskar brachte gerade eine
Schubkarre voll Dung zum Misthaufen, der hinterm Stall ist.
Wir überlegten gerade, wem wir Blumen schenken könnten,
als wir Oskar sahen. Wir liefen hinter ihm her und ich sagte:
»Oskar, hast du schon jemals Blumen bekommen?«
»Nein, warum auch? Ich bin doch noch nicht tot!«, sagte
Oskar.
Der Ärmste! Sicher glaubte er, Blumen könne man nur zu
seiner Beerdigung bekommen.
Inga sah mich begeistert an, weil wir schon einen Menschen
gefunden hatten, der sonst nie Blumen bekam.
»Hier, Oskar, hast du Blumen«, sagten wir und überreichten
ihm den Strauß.
Oskar dachte zuerst, wir wollten ihn zum Narren halten. Er
wollte den Strauß nicht nehmen. Aber wir sagten ihm, er
müsse ihn annehmen, und da tat er es. Eine Weile später, als Inga und ich ein Kaninchen suchten, das uns weggelaufen war,
kamen wir zufällig am Misthaufen vorbei. Und auf dem Mist -
obenauf - lag Oskars Blumenstrauß.
»Ich glaub langsam, dass Fräulein Lundgren sich irrt«,
meinte Inga.
Wir beschlossen, damit aufzuhören, Menschen glücklich zu
machen. Aber etwas später, gegen Abend, als Inga und ich in
unsere Küche kamen, saß da auf einem Stuhl ein Mann.
Svensson aus Stubbenäs heißt der Mann. Er wollte uns ein
Schwein abkaufen. Lasse und Bosse waren losgelaufen, um
Papa zu holen, der den großen Acker pflügte. Svensson saß
unterdessen in unserer Küche und wartete. Inga zog mich in
eine Ecke und flüsterte mir zu:
»Findest du nicht, er sieht einsam und verlassen aus? Wollen wir
es nicht doch noch einmal versuchen? Du weißt schon, was
ich meine, ein wenig mit ihm reden und ihn aufmuntern, wie
Fräulein Lundgren sagte.«
Wir entschieden, es zu versuchen. Sonst können Inga und
ich reden wie aufgezogen, aber jetzt, wo wir mit Svensson
sprechen und ihn glücklich machen wollten, fiel uns nicht das
Geringste ein. Ich überlegte und überlegte, und endlich sagte
ich:
»Schönes Wetter heute, nicht?«
Svensson antwortete nicht. Ich versuchte es noch einmal:
»Schönes Wetter heute,
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