Die Kinder aus Bullerbü
Emil nahm ein Litermaß, füllte zwei
Liter für sich ab und gab uns zwei Kronen dafür. Er sagte, das
sei in dieser Gegend der Preis für Kirschen, und es war für
uns gut, das zu wissen. Bosse bekam zurück, was wir uns aus
seiner Sparbüchse geliehen hatten, und trotzdem hatten wir
noch Geld übrig. Onkel Emil gab uns saure Bonbons, und als
Ole das durchs Fenster beobachtete, kam er in den Laden
gestürzt, als hätte er Feuer unterm Hosenboden. Als er
jedoch seine Bonbons bekommen hatte, rannte er schnell
wieder zu den Körben hinaus.
Wir bedankten uns bei Onkel Emil und gingen. Als wir
hinauskamen, sahen wir, dass Ole dabei war, einige Kirschen
einzusammeln, die ihm ins Gras gefallen waren.
»Was machst du da?«, schrie Lasse wütend. »Ich... ich habe
deine Kirschen bloß ein bisschen sauber gemacht«, sagte
Ole. Seine Stimme klang ganz erschrocken. Aber er hatte nur
ein paar ins Gras fallen lassen, und deshalb war es nicht weiter
schlimm.
Die Landstraße ist nicht weit von Storbü. Im Herbst und
Winter sieht man dort nur wenige Autos, meist nur
Lastautos, aber im Sommer kommen viele Autos vorbei,
denn die Leute wollen sehen, wie schön es hier ist.
»Wenn sie überhaupt etwas erkennen können, so wild wie sie
fahren«, sagte Lasse, als das erste Auto an uns vorbeibrauste.
Wir hatten ein großes Schild gemacht, auf dem
KIRSCHEN stand. Immer wenn ein Auto ankam, hoben wir
das Schild hoch, aber die Autos fuhren alle vorbei. Lasse
sagte, die Autofahrer glaubten sicher, dass nur FAHRT
VORSICHTIG oder etwas Ähnliches auf unserem Schild
stehe, und deshalb brausten sie so eilig vorbei. Aber Bosse
fand es sehr interessant, die schnell rasenden Autos zu sehen.
Er vergaß fast die Kirschen darüber. Seine Augen waren ganz
rund, so glotzte er den vorbeifahrenden Autos nach. Und er
kannte jeden Autotyp. Er setzte sich an den Wegrand und tat,
als fahre er Auto, und er versuchte, wie ein Motor zu
brummen. Und dann hörte er plötzlich damit auf und sagte,
es müsse ein Fehler an seinem Motor sein, denn er klinge
nicht so, wie er müsse.
»Natürlich nicht«, sagte Britta. »Der Motor klingt wirklich
nicht wie ein Motor. Er klingt wie Bosse.«
Lasse war wütend, weil die Autos nicht halten wollten, und
sagte: »Denen werde ich es zeigen!«
Als das nächste Auto kam, sprang Lasse mitten auf die Straße
und hielt das Schild in die Höhe. Er sprang erst in der
allerletzten Sekunde zur Seite und wäre beinahe überfahren
worden. Das Auto bremste mit einem unheimlichen
Kreischen, und ein Mann stieg aus und packte Lasse am Arm
und sagte, er müsse Prügel haben, dass es nur so rauche.
»Mach das nicht noch einmal!«, sagte der Mann wütend.
Lasse versprach, es nicht noch einmal zu machen. Und stellt
euch vor, da kaufte der Mann uns einen Liter Kirschen ab
und fuhr weiter.
Es staubte ganz entsetzlich auf der Schotterstraße. Wir hatten
die Kirschen mit Papier zugedeckt, und das war ja wohl
vernünftig. Aber uns selbst konnten wir schlecht zudecken,
und wenn die Autos vorbeifuhren, wirbelten sie dicke
Staubwolken auf, und wir standen mitten im Staub. Es war
unangenehm und ich sagte: »Uh, wie es staubt.«
Aber da fragte Lasse, warum ich das sage. »Warum sagst du
nicht auch ›Uh, wie die Sonne scheint‹ oder ›Uh, wie die
Vogel zwitschern‹?«
Wer hatte denn befohlen, dass man es schön finden solle, wenn
die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, und nicht,
wenn es staubt? Und da beschlossen wir, es schön zu
finden, wenn es staubte. Als das nächste Auto vorbei war und
wir so in Staubwolken gehüllt waren, dass wir einander kaum
sehen konnten, da sagte Lasse: »Oh, wie herrlich es heute
staubt!«
Und Britta sagte: »Ja, es staubt wirklich schön auf dieser
Straße.«
Und Bosse sagte: »Wenn es doch nur etwas mehr stauben
wollte!«
Darauf brauchte er nicht lange zu warten. Ein riesengroßer
Lastwagen kam vorbei und ich hatte nicht geglaubt, dass es
so viel Staub auf einmal geben könnte. Es war
wahrscheinlich genau so eine Staubwolke, wie sie vor den
Kindern Israel in der Wüste herzog.
Britta stand mitten im dicksten Staub. Sie streckte die Arme in
die Höhe und rief: »Was für ein herrlicher, herrlicher Staub!«
Aber dann musste sie husten und konnte nichts mehr sagen.
Als sich der Staub verzogen hatte, guckten wir uns an. Alle
waren wir grauschwarz von oben bis unten. Britta putzte sich
die Nase und zeigte uns danach ihr Taschentuch, und da,
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