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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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und knuffte ihn in die Seite. Er sollte endlich still liegen. Die Mutter machte »Pßt« aus ihrem Bett. »Wollt ihr Rangen wohl ruhig sein!«
     
    Da, plötzlich spürte er eine große Freude. Er hatte endlich einen Fußball. Endlich hatte er ihn. Er stieß zu, seine Beine zuckten vor Vergnügen. Der Fußball flog in die Höhe — flog ins Küchenfenster, der Frau Manasse mitten in den Kaffeesatz. Erwin schrie vor Entsetzen. Er wachte auf von lautem Gebrüll. Die Mutter beugte sich über ihn. Unten auf dem Fußboden lag sein kleiner Bruder und strampelte mit den Händen und Füßen. Der Platz neben ihm war leer. Er hatte seinen Bruder als Fußball aus dem Bett geworfen.
     
    Am Morgen ging er zur Schule. Immer zwischen den dunklen Steinmauern, stumm, mit verbissenem Gesicht. Er war der erste. Das Klassenzimmer war noch leer. Am Klassenschrank steckte der Schlüssel. Weiß der Teufel, wer den aus Versehen hat stecken lassen. Wer war denn Ordnungsschüler? Erwin schlich neugierig näher. Da hinten lag der Klassenfußball. Sechs Tage lag der schöne Ball tot und ungebraucht zwischen Atlanten und Heften in einer Ecke. Hätte man ihn nicht die übrigen fünf Tage benutzen können? Man brauchte ihn nur am Sonnabend zur Turnstunde rechtzeitig wieder hineinzulegen. Erwin schloß den Schrank auf und zog hastig den Ball hervor. Er streichelte ihn und wurde nachdenklich. Man konnte die Luft auslassen und ihn klein und dünn in die Mappe stecken. Keiner würde ihn vermissen. Nichts würde dem Ball geschehen. Heute war Dienstag. Man brauchte nur am Sonnabend frühzeitig vor den anderen hier zu sein. Er zog an den Verschnürungen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und die anderen Jungen stürzten herein. Nun war nichts mehr zu machen.
     
    Er schloß den Schrank zu und ging auf seinen Platz. In der Pause blieb er zurück. Noch immer steckte der Schlüssel. Ja, es war wirklich weiter gar nichts dabei. Er wollte den Ball schon hüten. Und was würden die anderen Jungen aus der Bande sagen, wenn sie den Fußball sahen? Er freute sich ordentlich. Es waren immerhin noch drei Tage.
     
    Er hatte ihn gerade in den Händen, da ging die Tür auf, und Herr Schrammler kam, der Lehrer.
     
    »Was machst du denn da? Warum bist du nicht im Hof? Leg den Ball weg. Heute ist keine Ballstunde.«
     
    Weiß der Teufel, was der alles noch sagte. Erwin brummelte etwas vor sich hin. Von Hefte suchen, Bleistiftspitzer verloren. Na, was man eben so sagt, lauter dummes Zeug. Er dachte, es sollte nicht sein. Es war wohl auch besser so. Schließlich ist es ja doch nicht »unser Fußball«. Das macht keinen Spaß, ein Schulball bleibt ein Schulball.
     
    Als der Unterricht wieder begann, war der Schrank abgeschlossen. Der Ordnungsschüler hatte sich auf seine Pflicht besonnen. Und nun gingen sie nach Hause.
     
    Paul tippte ihn von hinten auf die Schulter: »Mensch, Erwin, ich wollt' dir wat sagen, von wegen det Fußballs.«
     
    Erwin zuckte zusammen. Also Paul dachte auch noch daran. »Ja, wat denn?«
     
    »Bei Tietz gibt's billige Tage, billige Fußbälle. Ich hab's gesehen, ein ganzes Fenster voll. Gehn wir mal hin und gucken. Ich kann ja auch mal fragen, wat ener kost'.«
     
    Erwin strahlte. Hingehen und ansehen oder fragen, das war immerhin schon etwas, das konnte man. Sie machten sich am Nachmittag auf den Weg. Sie mußten um viele Häuserblöcke, durch viele Straßen. Sie hatten es sehr eilig, waren ungehalten, wenn sie zu spät an den Übergang kamen und warten mußten, bis die Bahnen, Autobusse und Wagen passiert hatten. Sie stürzten als erste über die Straßen.
     
    »Was meinst du, wieviel er kosten wird?«
     
    Sie schätzten und rieten. Endlich tauchte das große Warenhaus auf. Es war ein Riesenblock. Wie aus weißem Marmor leuchtete es mit den großen Quadersteinen und der hohen Kuppel. Erwin lief jetzt so schnell, daß Paul kaum folgen konnte. Der packte ihn am Rock. »Weißt ja doch nicht, wo, Mensch, warte doch. Du wirst staunen.« Er zog ihn um die erste Ecke. Da! Ein ganzes Fenster voll. Man sollte es nicht glauben. Aus lauter Fußbällen hatten sie hinter dem Fenster einen Berg aufgebaut. Eine richtige Pyramide. Dem obersten hatten sie ein Gesicht angemalt. Ein lachendes, feistes Gesicht. Und aus der Mitte des Berges ragte eine Hand heraus mit einer Aufschrift: »Treibt Sport!«
     
    »Sport stählt und erhält gesund!«
     
    »Gebt den Kindern Licht, Luft und Raum zum Sport!«
     
    An den Seiten gab es alle Sportgeräte, die

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