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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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sagen pflegte, werden selbst Schlösser Stein für Stein errichtet.«
    »Er fehlt mir«, sagte John. »Ich habe den Mann ziemlich gerngehabt. Ich würde zu gern wissen, was genau aus ihm geworden ist.«
    »Wenn du nach ihm suchst, wirst du ihn vielleicht finden«, sagte Mr   Burton.
    »Aber wie soll ich ihn suchen, wenn er doch tot ist?«
    »Du musst nur wissen, was der beste Ort für deine Suche ist«, sagte Mr   Burton. »Glücklicherweise kann ich dir da helfen.«
    Mr   Burton holte den Füller heraus, den er früher am Tag für das zweite Rätsel benutzt hatte, und drückte einen kleinen Tropfen schwarze Tinte auf eine weiße Untertasse.
    »Vielleicht«, sagte er geheimnisvoll, »findest du eine Antwort in diesem kleinen Tropfen Tinte.«
    »Wie kann jemand etwas in einem Tropfen Tinte finden?«, wandte John ein.
    »Shakespeare hat es gekonnt«, sagte Mr   Burton, »und vieleandere nach ihm. Hast du schon jemals wirklich in einen Tropfen Tinte hineingesehen?«
    »Nein«, gab John zu. »Hab ich nicht.«
    »Dann findest du darin vielleicht mehr, als du denkst.«
    »Und das weiß man erst, wenn man es ausprobiert hat, nehme ich an.« John nickte, nahm dem Fakir die weiße Untertasse aus den knochigen Fingern und starrte auf den winzigen konkaven schwarzen Fleck.
    Zuerst sah er gar nichts. Doch als seine Augen sich auf den Tintenklecks eingestellt hatten, erkannte John die Spiegelung des Vollmonds und direkt daneben sein eigenes Gesicht.
    »Ich sehe mich selbst«, flüsterte er.
    »Das ist schon mal ein Anfang«, sagte Mr   Burton. »Nicht jeder vermag sich selbst zu erkennen, das kannst du mir glauben. Schon darin liegt eine Erleuchtung, die vorher nicht da war. Was siehst du?«
    »Ich sehe jemanden, der stark ist«, sagte John. »Einen Sucher nach Wahrheit. Einen Forscher. Jemanden, der keine Angst hat zu handeln. Jemanden, der bereit ist, Dinge zu tun. Aber welche? Die Antworten sind verborgen. Vielleicht für immer verloren.«
    »Dann musst du tiefer schauen, um jenes zu finden, das verloren war«, sagte Mr   Burton. »Du musst über dich hinaussehen, auf das, was dahinterliegt. Du musst in den tiefsten Tiefen des Tintenflecks nachsehen, um zu finden, was du suchst, mein Sohn. Ach ja, und versuche, nicht zu blinzeln. Du hast wesentlich bessere Aussichten, etwas zu sehen, wenn du die Augen nicht zumachst.«
    »In Ordnung.«
    John hätte nicht sagen können, wie lange er dasaß und in den Tintenfleck starrte. Und lange Zeit kam es ihm vor, als starre erdurch das falsche Ende eines Fernrohrs. Als versuche er, etwas anzuschauen, das sehr weit weg war. Doch nach einer Weile schien es, als werde das Fernrohr kürzer, und das, was er ansah, rückte näher heran. John kam der Gedanke, nicht durch ein Fernrohr zu schauen, sondern in den Schlund eines sehr tiefen Brunnens. Keinen gewöhnlichen Brunnen, sondern einen, der in die Zeit selbst hineingebohrt worden zu sein schien. Während er schaute und schaute, begann er Orte und Menschen zu sehen, die er kannte.
    »Das ist ja unglaublich«, flüsterte John. »Ich kann alles sehen.«
    John sah sein Elternhaus in Manhattan, seine Mutter und seinen Vater, Alan und Neil – seine beiden Onkel, die einmal als Hunde bei ihnen gelebt hatten. Er sah seinen Onkel Nimrod und seine Schwester Philippa, Mrs   Trump, Dybbuk, Virgil Macreeby und dessen Sohn Finlay, Iblis den Ifrit und so gut wie alle anderen, denen er jemals begegnet war. Keiner von ihnen merkte etwas oder nahm Notiz von ihm. Es war, als schaue man aus einem Himmelsfenster auf eine Auswahl menschlicher Miniaturen hinab. John konnte sogar Stimmen hören, die er wiedererkannte, und Dinge riechen.
    Und schließlich sah er seinen alten Freund, Mr   Rakshasas.
    »Ich sehe ihn«, sagte er begeistert. »Er wirkt ganz real. Als ob ich die Hand ausstrecken und ihn berühren könnte.«
    »Das darfst du nicht«, sagte Mr   Burton.
    »Er ist im Metropolitan Museum in New York«, sagte John, »und wurde von einem dieser schrecklichen Terrakottakrieger aufgesaugt. Und   … ach, also das ist mit ihm geschehen! Dorthin ist er gegangen. Aber das ist unmöglich, oder?«
    »Was ist unmöglich?«
    »Dass er   … gestorben ist«, sagte John. »Und ein neues Leben angefangen hat, ohne es mir zu sagen.«
    »Hat er das?«
    »Ja. Aber das kann doch nicht sein, oder? Wiedergeburt? Bestimmt nicht.«
    »Glaubst du nicht an Wiedergeburt?«
    »Früher nicht«, sagte John. »Bis ich Zagreus begegnet bin.«
    »Und jetzt?«
    »Na ja, jetzt

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