Die Kinder des Ketzers
zu, die immer noch reglos neben Beatrix’ Leichnam stand. «Seid Ihr verletzt, Barouneto?»
Verwirrt hob Cristino den Kopf. «Wie?», fragte sie geistesabwesend.
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«Ob Ihr verletzt seid.» Vascarvié wies auf ihr verschmutztes Kleid. «All das Blut…»
Cristino starrte ihn benommen an, ohne zu bemerken, dass Fabiou ihr hinter Vascarviés Rücken zuwinkte und eindringlich den Kopf schüttelte. «N-nein», sagte sie, «das ist nicht mein Blut, das ist…» Sie brach ab. Sie war kreidebleich geworden.
«Nun, wessen Blut ist es dann, wenn nicht das Eure?», fragte er. Cristino sah hilfesuchend zu Fabiou hinüber, der fortfuhr, ihr hastige, aber leider unverständliche Zeichen zu machen. «Das ist…
das ist Mutter Consolatorias Blut», stammelte sie. «Sie… starb in meinen Armen.»
«Ah. So war das, ja?» Vascarviés Blick ging zu Frederi de Castelblanc und verharrte auf dessen blutdurchtränktem Wams. «Und in Euren Armen ist sie auch gestorben, oder was?»
«Das ist das Blut eines jener verräterischen Landsknechte», meinte Frederi ohne mit der Wimper zu zucken und zeigte auf einen der beiden Toten in der Mitte des Raumes. «Er ist sterbend gegen mich gefallen.»
Misstrauisch ging Vascarviés Blick in die Runde. Estève de Mergoult nickte. Der Buous und der Bonieus nickten. Fabiou nickte, als habe er einen epileptischen Anfall. Victor starrte mit leeren Augen ins Nichts. Er nickte ebenfalls.
«So. Ähm… nun ja. Das Parlament wird die Vorgänge untersuchen», meinte Vascarvié. Er wirkte nur mäßig überzeugt.
«Was wird jetzt aus den Anklagen gegen Arnac de Couvencour und den jungen Nicoulau?», fragte Fabiou. «Ich meine, ihre Unschuld ist doch jetzt bewiesen.»
«Unschuld?» Vascarvié sah verständnislos drein. «Sie haben die Morde nicht begangen, das mag sein. Aber das ändert ja wohl nichts daran, dass der eine ein Ketzer und der andere ein Mitglied einer berüchtigten Räuberbande ist. – Euch geht es wirklich gut, Barouneto?»
Cristino nickte. «Mir geht es gut, wirklich.»
«Nun… dann bleibt für uns ja nicht mehr viel zu tun. Meine Herren, ich bitte Euch, Euch in den nächsten Tagen in Aix in meinem Amt einzufinden, zur Protokollierung der Zeugenaussagen… Viguié, Ihr kümmert Euch um die sterblichen Überreste 985
der Schwester.» Er wandte sich um, schritt hastig dem Ausgang zu. Er schien ausgesprochen peinlich berührt. Der Viguié gab seinen Arquiés Anweisung, sich um Beatrix’ Leichnam zu kümmern. Stumm sah Cristino zu, wie sie die Tote mit einem Tuch bedeckten und sie aus dem Raum trugen. «Wo bringt Ihr sie hin?», fragte Frederi leise.
«Zurück nach Ais», sagte Crestin. «Ihre Ordensschwestern werden sie beisetzen wollen.»
«Ja», sagte Frederi tonlos. «Ja, das ist wohl das Beste so.»
Crestin sah noch einmal mit gerunzelter Stirn in die Runde, dann ging auch er.
Als die Haustür zuschlug, ging ein hörbares Aufatmen durch den Raum. «Rouland, sie sind weg!», rief Frederi in den düsteren Korridor hinein. «Meine Güte, Cristino, musstest du dich so verplappern?», stöhnte Fabiou. Cristino antwortete nicht. Sie trat an eine der hohen Fensterscheiben. Die Zedern erstrahlten im frischen Licht eines neuen Morgens, nur leicht verzerrt durch das Glas der Scheibe. Tau funkelte auf dem Gras, es versprach ein wunderschöner Tag zu werden. Jemand hatte einen Karren aus einer Scheune geholt und ein Zugpferd davor gespannt. Zwei Arquiés legten Beatrix’ Leichnam auf die Ladefläche und zupften das Tuch zurecht, das sie bedeckte.
Hinter ihr trat Couvencour aus dem Korridor. Louise hing halb ohnmächtig an seinem Arm, ihre Lippen so farblos wie Sago. Couvencour ließ sie vorsichtig auf den Boden gleiten, wo sie sich gegen die Wand lehnte. Sébastien kniete sich neben ihr nieder. «Wie geht es dir?», fragte er besorgt.
Louise versuchte zu lächeln. «Es geht so», flüsterte sie.
«Wir müssen dich zu einem Arzt bringen, schnell!», meinte Sébastien.
Victor war ebenfalls näher getreten. «Der nächste Wundarzt ist in Seloun», sagte er. «Das sind vier Stunden zu Pferd!»
«Umso wichtiger, dass wir sofort aufbrechen!», erklärte Sébastien und machte Anstalten, Louise vom Boden hochzuziehen. Doch in diesem Moment trat Ingelfinger an seine Seite und schüttelte den Kopf. «Euer Wundarzt wird da nicht helfen können», sagte er.
«Das ist eine Lungenperforation.»
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Rouland de Couvencour presste die Lippen zusammen, er schien den Tränen nahe. Frederi
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