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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Gott, sagt Servius, aber ich, wie kann ich Gerechtigkeit erlangen, wie?
    Heute Nacht ist mir der heilige Michael erschienen, im Traum. ER sprach: das sei meine Sühne: Gerechtigkeit wiederherzustellen. ER sprach: und die Israeliten erschlugen die, die ihr Blut getötet. Ich habe kein Recht, sie zu richten, aber er hat es. Ich bin das Lamm, und er der Richter. Es ist getan, ich muss nur noch warten. Eine gute Sühne, die ich Gott biete.›
    Dann… ist der Rest des Blatts frei, aber es gibt noch ein weiteres, es ist groß beschrieben, dort steht:
    ‹Gott, ich bete zu dir, nimm meine Sühne an und vergib mir meine Schuld. Ich erwarte sie jede Stunde. Wer dies liest, möge wissen, dass ich starb, um die Gerechtigkeit Gottes wiederherzustellen im Namen Jesu und der Jungfrau Maria. Dies schreibt H. Trostett am Morgen des 13. Aprils 1558.›
    Ja, das war’s. Ich habe das Ganze aufgeschrieben, auf Französisch, falls du es noch einmal nachlesen willst.» Bruder Antonius wies auf ein zusammengerolltes Blatt Papier, das er neben das lederne Päckchen gelegt hatte.
    «Der 13. April. Das war gestern. Der Tag, an dem er starb», meinte Fabiou nachdenklich.
    «Bruder Antonius hat recht – der Kerl war ja wohl echt einfach irre», meldete sich Catarino nun zu Wort. «Wahrscheinlich hat er sich in seinem Wahnsinn selbst erdolcht.»
    «Dann hätten wir aber doch einen Dolch finden müssen», entgegnete Fabiou, verärgert über ihre Einmischung. 171
    «Er hat ihn sich in die Brust gestoßen und dann weggeworfen, ganz einfach», sagte Catarino achselzuckend.
    «Ich weiß nicht…» Fabiou bearbeitete wieder seinen Daumennagel. «Ich finde gar nicht, dass das, was er schreibt, so geisteskrank klingt… nur ziemlich unverständlich.»
    «Na, komm!» schnaubte Catarino. «Ein Rächer, der vom Tode aufersteht, der heilige Michael – also, wenn das nicht irre ist…»
    Fabiou warf ihr einen bösen Blick zu. Allmählich bereute er, die Mädchen nicht sofort aus dem Zimmer geschickt zu haben. Was sollte Antonius von ihm denken, wenn seine Schwester sich ihm gegenüber so respektlos verhielt? Einen Moment lang überlegte er, ob er Catarino auffordern sollte zu gehen, doch dann verwarf er den Gedanken rasch wieder. Catarino betrachtete ihn nicht im geringsten als Autorität, ohne Frederis Hilfe würde er sie niemals aus dem Zimmer bekommen und sich nur noch mehr blamieren. Und Frederi um Hilfe bitten würde seinen Nachforschungen ein rasches und unrühmliches Ende bereiten.
    «Vielleicht ist ihm ja wirklich der heilige Michael erschienen», warf Cristino schüchtern ein. «Ich meine, so etwas kommt doch vor. So wie bei Jeanne d’Arc… Vielleicht war er ja auch ein Auserwählter…»
    Bruder Antonius, der Realist war und nicht allzu viel von Wundergeschichten hielt, schüttelte amüsiert den Kopf. «Mein liebes Kind, wenn jeder, der sich einbildet, mit Jesus oder der Jungfrau Maria oder irgendwelchen Engeln zu kommunizieren, gleich ein Heiliger wäre, bliebe bald kaum einer mehr übrig, dieselben anzubeten. Sicher gibt es echte Visionäre – aber die meisten Menschen, die behaupten, übersinnliche Erscheinungen zu haben, sind schlicht und ergreifend geistig gestört.»
    Fabiou, der soeben seufzend akzeptiert hatte, dass er die Anwesenheit und die Kommentare seiner Schwestern offensichtlich ertragen musste, runzelte nachdenklich die Stirn. «Geistig gestört oder nicht – er scheint seinen Tod vorausgesehen zu haben», sagte er. «Und das wiederum passt so gar nicht zu der Raubmordtheorie, oder?»
    «Das allerdings nicht», stimmte Bruder Antonius ihm zu. «Du hast recht, denke ich – hinter diesem Todesfall steckt weit mehr, als 172
    der Herr Viguié vermutet. Aber was auch immer es ist, wir werden es wohl nie erfahren. Der einzige uns bekannte Zeuge ist tot, und das, was er uns an Hinweisen hinterlassen hat, ist vollkommen unverständlich. Schade, wirklich.»
    Ein leiser Seufzer der Enttäuschung von Frederi Jùli, aber Fabiou schüttelte nur belustigt den Kopf. «Ich hatte mal einen Lehrer», meinte er grinsend, «der behauptete, jedes Problem lasse sich durch Logik lösen. Ich meine mich zu erinnern, dass sein Name Jousè
    war, besser bekannt als Bruder Antonius. Himmel, Antonius, du wirst doch nicht so schnell vor ein paar rätselhaften Zeilen kapitulieren? Wie stehst du denn dann da vor den großen Mystikern der Weltgeschichte?»
    Antonius schnitt eine Grimasse, und Fabiou streckte ihm die Hand entgegen. «Jetzt lass mich das

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