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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Beine sind in merkwürdige geometrische Flächen eingebettet. Während ich mich mit der rechten Hand gewaltsam loszureißen versuche, hebe ich ein Bein mit ausgefahrenen Fersen an, doch der Kidnapper funkelt mich nur böse an und zieht an meinem Handgelenk. Dabei merke ich, dass es keine Hand ist, die nach mir greift: Seine Handgelenke münden in großen Scheren. Und sein Rücken ist gepanzert. Würde ich mit dem Bein ausholen, hätte das nur zur Folge, dass ich mir den Fußknöchel breche und er mir das Handgelenk sauber abtrennt, ohne dass an ein Entkommen auch nur zu denken ist. Ich winde mich heftig, wie ein automatischer Rohrreiniger, der auf trockenem Boden gelandet ist, doch er gibt keinen Millimeter nach, und damit ist die Sache entschieden. Nach einigen Sekunden füge ich mich in mein Schicksal, hänge wie ein schlaffer Sack zwischen den beiden und muss aufpassen, dass ich nicht hysterisch reagiere, als ich zu Jeeves hinübersehe.
    »Besser … so«, sagt Jeeves, als läse er von einem Manuskript ab. »Sie … wird … bald … hier … sein.« Er klingt wie der Hauptdarsteller eines Dramas mit dem Titel Der Roboter – seelenlos und grimmig. Irgendjemand hat ihm alles herausgerissen, was ich anziehend an seiner Art fand; es ist nur ein Ding übrig geblieben, das Entsetzen und Mitleid erregt.
    Verstohlen sehe ich mich im Zimmer um. Überall sind Spuren eines Kampfes zu sehen, vom zerstörten Rahmen der Innentür bis zu den abgetrennten Armen, die wie ausrangierte Gegenstände hinter einem Sockel liegen, auf dem eine antike Urne steht. Vor Abscheu muss ich schlucken. »Was ist passiert?«, frage ich.

    »Meine… Gebieterin… ist… gekommen… um… mich… abzuholen.« Sein gesundes Auge sieht aus wie ein in eine graue Gummimaske eingebetteter Stein und verrät keinerlei Gefühle. »Falls… Sie… sich… nicht… erinnern… können… wird… SIE … es … Ihnen … erklären.«
    Meine Gebieterin – er spricht nur für sich selbst, nicht für das Kollektiv der Jeeves-Brüder. Was immer hier geschehen sein mag: Es ist eine persönliche Angelegenheit. Ich bin kurz davor auszurasten und beginne mich erneut zu wehren, aber ein hastiger Blick ruft mir ins Gedächtnis, dass Widerstand zwecklos ist. Diese Monster, was sind sie überhaupt? Irgendwelche serienmäßig hergestellten Soldaten? Jedenfalls sind sie groß und verdammt schnell. Zwei von ihnen haben mich am Eingang sofort abgefangen, zwei weitere haben sich hinter Jeeves postiert. Und es sieht ganz so aus, als hätten sie ihn schon eine ganze Weile in ihren Schnipp-Schnapp-Händen … »Jeeves«, sage ich bedächtig, »wer ist Ihre Eigentümerin?«
    »Ich… gehöre… nieman…« Er beginnt zu zittern. Während sein Augenlid flattert, rinnt ein dicker Tropfen an seiner Wange hinunter.
    Als in meinem Rücken die Tür aufgeht, packt mich eiskaltes Entsetzen. »Gebieterin!« Sein Gesicht hellt sich auf.
    »Hallo, Kate«, sagt eine Stimme, die mir so vertraut ist, dass mir Schauer über den Rücken laufen – ein Gefühl, als krabbelten dort Spinnen. Einen Moment lang weiß ich nicht mehr, wer und wo ich bin, und fühle mich an den Tag meines elften Geburtstags zurückversetzt. Als ich endlich wieder einen klaren Kopf habe, liege ich mit dem Gesicht nach unten und gespreizten Armen und Beinen auf dem Boden. In den Handgelenken und Fußknöcheln spüre ich stechende Schmerzen. »Lass das!«, schreit sie so laut, dass mir die Ohren klingeln. »Hör sofort auf damit, du böses, böses Mädchen !«
    »Ich … ich …« Mühsam dränge ich die Panik zurück. Mir fällt ihr Bett auf der Pygmalion ein. Stecke ich wieder in Granitas Netz? Mit den Fingern taste ich mein Umfeld ab, spüre den Fußboden
und kann meine einzelnen Ichs nach und nach wieder miteinander verbinden. Zwei Soldaten halten mich umklammert, haben mir aber – bis jetzt – noch nichts abgeschnitten … »Was willst du von mir?«
    »So ist es gut«, sagt sie in beruhigendem Ton. »Du hast etwas, das mir gehört.« Ihre Stimme senkt sich leicht. »Wo ist es?« Ihr Kleid raschelt laut, als sie sich neben mich kniet. Ich spüre, wie ihre Finger mein Haar teilen. Als sich ihre lackierten Klauen in meinen Nacken graben, bäume ich mich erneut auf und winde mich.
    »Nein, Granita …« Aber sie hört nicht auf mich, und für einen Moment, der mir Ewigkeiten zu dauern scheint, wird rings um mich alles dunkel und schmeckt nach elektrischen Rosen und blauem Eis.
    Als ich langsam wieder zu mir komme,

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