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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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stolziert mit wehenden Röcken auf die Tür zu. Notgedrungen folge ich ihr kurz darauf. Zwei der Soldaten mit den Scherenhänden bilden unsere Schlusslichter. Sie stapfen so hölzern hinter uns her, als wären sie einem Alptraum entsprungene Zombies, und werfen dabei lange Schatten.
    Während wir mit dem Fahrstuhl ins Foyer hinuntergleiten, wechseln wir nicht ein einziges Wort miteinander. Ich will nicht riskieren, Granita zu provozieren, denn sie war von jeher schwer zu durchschauen. Außerdem tröstet mich der Gedanke, dass sich irgendwann später bestimmt irgendeine Fluchtmöglichkeit auftun wird. Meine Gedanken rasen: Warum hat sie Jeeves das angetan? Bisher sind die Hauptakteure in diesem Spielchen bei ihren wechselseitigen Angriffen stets mit gewisser Zurückhaltung vorgegangen. Unwillkürlich zittere ich, als ich mich an seinen Anblick erinnere – daran, wie er schlaff und so, als wäre er tot, in seinem Sessel hing, während seine abgetrennten Arme und Beine
in einer Zimmerecke verstreut waren. Irgendetwas an diesem Bild löst bei den verschiedenen Ichs, die mich ausmachen, nicht nur Entsetzen, sondern auch Trauer aus. Und Frust – das Gefühl, dass es auch anders hätte laufen können. Hat sie ihn mit einem Chip versklavt?, überlege ich. Falls ja, ist das Spiel aus, wie mir mit tödlicher Gewissheit klar wird. Denn dann besitzt sie alle Informationen, auf die er Zugriff hatte. Hat sie etwa … Instinktiv fährt meine Hand zum Nacken.
    »Zappel nicht so herum«, sagt Granita in derart scharfem Ton, dass ich meine Hände schnell auf dem Rücken verschränke und mir die wunden Handgelenke reibe, ohne dass sie es sehen kann. »Beruhige dich, es gibt keinen Grund zur Aufregung.« Die Fahrstuhltüren öffnen sich. »Komm mit.«
    Vor der Luftschleuse wartet ein silberblauer Kufenschlitten, dessen blasenförmiges Verdeck unter dem unheilvollen Blick Jupiters golden schimmert. Als ich hinter Granita her stapfe, knirscht Eis unter meinen Füßen. Gleich darauf steigt sie ein und weist mir den Notsitz ihr gegenüber zu. Ihr Geleitschutz, die beiden Soldaten mit den Scherenhänden, bauen sich auf den Trittbrettern auf und halten sich außen am Schlitten an Griffen fest. Während ich mich angurte, schließt sich das Verdeck, und das Schlittengebläse umhüllt meine Füße mit kühler Luft. Granita deutet auf eine Decke aus Mikrofasern. »Du kannst dich ruhig einwickeln. Wir haben einen langen Flug vor uns, und die Nacht wird kalt.«
    Um sie bei Laune zu halten, greife ich nach der Decke. Unverzüglich beginnen die Schubdüsen des Schlittens aufzuheulen, doch gleich darauf schaltet sich die Schalldämpfung ein, so dass nur noch ein leises Summen zu hören und unter den Füßen ein leichtes Vibrieren zu spüren ist. Während wir schnell emporsteigen und beschleunigen, bleibe ich still sitzen ( Zappel nicht so herum, rufe ich mir ins Gedächtnis). In westlicher Richtung überqueren wir das eisige, mit Bruchgestein übersäte Valhalla-Becken und fliegen direkt in den Sonnenuntergang hinein.
    Nach ein paar Minuten lässt Granita sich dazu herab, das Schweigen zu brechen. »Vermutlich fragst du dich, warum ich
dich habe festnehmen lassen«, beginnt sie zögernd. »Und was ich mit diesem Jeeves zu schaffen habe.« Sie klingt fast bekümmert – so, als melde sich das ferne Echo eines anderen, normaleren Ichs. Welches Spielchen haben sie und Jeeves miteinander getrieben?
    »Ja«, erwidere ich vorsichtig, denn es scheint mir das Unverfänglichste zu sein.
    »Also gut. Mal abgesehen davon, dass ich mir mein entwendetes und missbrauchtes Eigentum zurückholen musste, verfolgen wir beide ein gemeinsames … Ziel.« Sie betont das letzte Wort mit seltsamem Nachdruck und sieht mich vielsagend an. »Keine Bewegung.«
    Als ich erstarre, beschleicht mich eine böse Vorahnung, die sich wie eine eiskalte Klammer um mein Herz legt.
    »Ausgezeichnet. Ich habe mich nämlich schon gefragt, ob sie dich im Büro dieses schmierigen Scheißkerls beschädigt haben. Ich hab ihnen zwar befohlen, schonend mit dir umzugehen, aber … Von jetzt an lässt du deine Nackenbuchsen in Ruhe, es sei denn, ich fordere dich auf, sie zu berühren. Verstanden?«
    Ich verstehe zwar gar nichts mehr, nicke aber.
    An ihrer Schulterhaltung merke ich, dass sie sich leicht entspannt. »Gut.« Ihre Lippen zucken so, dass es fast wie ein Lächeln wirkt. »Der oberste Jeeves wollte dich hier haben, weil das Jupiter-System das Tor zum dunklen äußeren System ist.

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