Die Kinder vom Teufelsmoor
ins Haus, um eine Flasche Terpentin aus dem Atelier zu holen, damit die Kinder sich die Farbe aus dem Gesicht wischen konnten.
Zehn Sekunden später hörten die unten Sitzenden einen Schrei so laut und schrill, daß man glauben konnte, ein sterbender Elefant oder ein anderes Großsäugetier hätte ihn ausgestoßen. Und dann polterte es die Treppe herunter und sprang auf die Terrasse hinaus zu den erschrockenen Kindern. Es war aber kein Tier, es war Oskar. Aber was für ein Oskar! Sein Gesicht war kreideweiß, seine Mundwinkel zuckten böse, und in seinen weit aufgerissenen Augen stand Mord. In der Hand schwenkte er ein Ölbild, auf dem ein scheußlich grinsendes Ungeheuer mit einem grünen Kugelkopf und gelben Augen zusehen war.
»Sie haben meine Porträts verdorben!« schrie er. »Diese Bestien haben alle meine Bilder übermalt! Hier, sieh dir das an! Das war mal der Wachtmeister Schlemper! Und was ist es jetzt? Ein Mondgesicht! Oh, ich sollte euch alle aufhängen, ihr verfluchte Sippschaft!« In unbändiger Wut warf er das verunstaltete Porträt in die große Wasserlache und trampelte mit den Füßen darauf herum. »Ihr Unholde!« schrie er dabei. »Ihr Höllenbrut! Warum hab' ich euch nicht gleich zum Teufel gejagt! Warum hab' ich euch aufgenommen! Man sollte euch ersäufen wie junge Katzen!« Er tobte und raste und konnte sich nicht beruhigen.
Die Kinder saßen versteinert und hatten nicht den Mut, ihren Onkel anzusprechen. Als aber dessen Wut gar nicht verrauchen wollte, stand Bodo auf, trat zögernd auf ihn zu und sagte: »Mensch, stellst du dich an wegen so 'n blödes Bild! Mal's doch einfach noch mal!« Daraufhin unterbrach Oskar sein Geheul und starrte den Jungen an, als ob er ihn fressen wollte.
»Was hast du gesagt?« keuchte er. »Ein blödes Bild ist das?« Er packte Bodo an den Armen und schüttelte ihn wild hin und her. Dann stieß er ihn plötzlich von sich, setzte sich taumelnd auf die Terrassenstufe und begann haltlos zu schluchzen.
»Ihr Scheusale«, sagte Rita bebend, »was ihr da angerichtet habt, könnt ihr nie wieder gutmachen!«
»Wir haben die Bilder doch nur ein bißchen schöner gemacht«, sagte Walter. »Nicht, Rena?« Rena nickte.
»Der Mann mit der Glatze hat jetzt eine Krone, das ist viel hübscher«, erklärte sie. »Glatzen ohne Haare sind häßlich.« »Finde ich auch«, stimmte Bodo zu. »Und darum macht Onkel Oskar so ein Theater, was? Wenn er die Krone nicht leiden mag, kann er ja meinetwegen wieder 'ne doofe Glatze auf das Bild malen, Mensch! Aber dann kauft das bestimmt keiner. Ich würde keinen Glatzkopf in mein Zimmer hängen, das steht mal fest. Ich nicht!« »Ach, sei still!« sagte Rolf. »Wenn er so einen Waldheini abmalt, der 'ne Glatze hat, dann kann er dem doch keine Haare auf 'n Kopf malen! Dann sieht der doch ganz anders aus und erkennt sich gar nicht! Das wäre ja genauso, als wenn er dich malen würde mit 'nem Vollbart!«
»Na und?« gab Bodo zurück. »Ich seh' bestimmt klasse aus mit Bart.«
»Vielleicht«, sagte Berti. »Aber kein Schwein würde dich erkennen.«
Oskar stand langsam auf und torkelte ins Haus. Sie hörten, wie er die Treppe in sein Atelier hinaufging und sich dort einschloß. Da erhob sich auch Rita wortlos und lief hinterher. »Mensch, den hat's aber erwischt!« sagte Rolf. »Ich wette, er schmeißt uns jetzt alle raus.«
»Ach was!« rief Bodo. »Der haut sich jetzt da oben selbst welche rein, weil er uns so angeschrien hat! Ihr sollt mal sehen, der kommt nachher wieder runter, als ob nichts gewesen wäre. Ich kenn mich aus. Die doofe Kirchler, meine Klassenlehrerin, ist doch genauso. Die brüllt und schreit und schmeißt mit Kreide durch die Gegend, und auf einmal heult sie, dann legt sie den Kopf auf die Bank und ist still. Und es dauert gar nicht lange, dann setzt sie sich wieder hin, grinst so komisch, so richtig dämlich und scheißfreundlich, und dann müssen wir 'n Diktat schreiben. Nee, du, laß man, ich weiß Bescheid!« »Ich weiß nicht so recht«, sagte Ingelore. »Mit Oskar ist das doch wohl noch anders.«
Sie stand auf und teilte das Gulasch aus.
Als Bodo mit der Hand in die Schüssel langte, um sich noch einen Brocken Fleisch herauszufischen, schlug sie ihm mit der Kelle auf die Finger.
»Du kriegst genausoviel wie die andern«, sagte sie, »und nicht mehr!«
»Ich hab'aber größern Hunger!« rief Bodo und leckte sich die Finger ab.
Rita verteilte auch die Kartoffeln, so gerecht es sich machen ließ. Darauf war
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