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Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)

Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)

Titel: Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Husmann , Sonja Schönemann
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sie zum Aufräumen das Haus verlassen muss. So erzählt sie es zumindest ihren Freundinnen.
    In Wahrheit unterhalten meine Mutter und ich eigentlich nur noch diplomatische Beziehungen. Das heißt, ich rufe sie zum Muttertag an oder zu ihrem Geburtstag, und sie telefoniert mir den Rest des Jahres hinterher, um zu fragen, ob ich noch lebe, warum ich mich nicht melde und ob ich wieder alles herumliegen lasse. Die meiste Zeit telefoniert Ramona mit ihr, und meine Mutter gibt ihr Tipps, wie sie mit mir umgehen muss. Auf diese Art hat Ramona erfahren, dass ich als Kind eine Vorhautverengung hatte und eine Barbiepuppe und außerdem einmal meinen Bruder nackt an unsere Zimmerpalme gefesselt hatte.
    Pünktlich zum Herbstanfang erweitert meine Mutter ihren Fragenkatalog traditionell um die Frage »Wie machen wir’s denn Weihnachten?« Sie will sichergehen, dass sie sich damit einen Vorsprung vor den »anderen Leuten« verschafft, wie sie Ramonas Eltern nennt (und alle Eltern aller meiner Freundinnen zuvor). Es hat lange gedauert, bis sie sich damit abgefunden hat, dass meine Idealvorstellung von Weihnachten nicht darin besteht, am Heiligen Abend morgens um acht bei ihr aufzuschlagen und drei Tage später, nach insgesamt 79 Mahlzeiten und zwanzig Kilo schwerer, wieder nach Hause zu fahren (natürlich begleitet von festlichen Vorwürfen, dass sie in der Küche schuften musste, damit der feine Herr Sohn zu Weihnachten die Füße hochlegen kann). Nachdem auch mein Bruder sich durch seinen Umzug nach Schweden ihrem Einzugsbereich entzogen hat, will sie nur noch die Elternhackordnung sicherstellen, in der sie mit weitem Abstand mein wichtigstes Besuchsziel ist und erst danach und viel kürzer die »anderen Leute« besucht werden. Weihnachten ist für Mütter so was wie das DFB-Pokalendspiel der Gefühle. Das ganze Jahr über können auch viertklassige Kandidaten mitmachen, aber am Ende gewinnt die Beste. Mutti.
    Dieses Jahr war alles anders, weil meine Mutter am Telefon davon sprach, zu Weihnachten uns zu besuchen. Ich war irritiert, sie schob es auf meinen Vater, der aber erst beim zweiten Nachfragen überhaupt wusste, mit welchem Rainer seine Frau da gerade telefonierte. Dank ausgefuchster Verhörtechnik bekam ich heraus, dass meine Mutter behauptet hatte, sie und ihr Mann führen dieses Weihnachten in Urlaub, um einer spontanen Einladung von seit Jahren verhassten Nachbarn zu entgehen. Jetzt standen meine Eltern vor der Wahl, entweder Weihnachten wirklich wegzufahren oder die kompletten Tage im Dunkeln zu Hause zu sitzen, damit die Nachbarn nicht mitbekamen, dass sie doch zu Hause waren. Ein Blick auf die Preisliste eines Reiseveranstalters reichte meiner Mutter, um zu klären, dass die Option »wirklich wegfahren« nicht in Frage kam. Deswegen kam sie auf die Idee, uns zu besuchen.
    Ich war nicht schnell genug glaubwürdig genug begeistert, um eine weitere Klagewelle abzuwehren. Neun Monate habe sie mich in sich herumgetragen, hieß es, und ich wolle sie nicht mal vier Tage lang beherbergen. Ich handelte sie schließlich auf zwei Tage herunter. In einem Hotel. Das ich für sie buchen sollte. »Was ganz Einfaches reicht für mich«, sagt sie, was übersetzt hieß, »ich bin gespannt, was ich meinem Sohn wert bin.« Natürlich war zu Weihnachten alles ausgebucht. Ich bekam nur noch eine Suite für 400 Euro. So viel wollte ich eigentlich nicht mal für Ramonas Weihnachtsgeschenk ausgeben, aber es gab nur die Suite oder nie endende Vorwürfe.
    Meine Eltern reisten an Heiligabend um acht Uhr morgens an, und Mutter war erstaunt, empört und beleidigt, dass ihre Suite noch nicht bezugsfertig war. Sie war kurz davor, das Zimmer selbst sauberzumachen, ließ sich aber von meinem Vater davon abbringen. Das erfuhr ich, weil sie um zehn nach acht bei mir anrief und vorbeikommen wollte. Sie rief zuerst drei Mal auf dem Festnetz an, dann zwei Mal auf dem Handy, hinterließ Vorwürfe auf Anrufbeantworter und Mailbox und klang völlig aufgelöst, als ich mich schließlich genervt meldete. Sie habe sich schon Sorgen gemacht, sagte sie, wo wir denn um Gottes Willen gewesen wären. Nach acht Uhr noch im Bett zu liegen ist für meine Mutter nur akzeptabel, wenn man tot ist oder wenigstens unheilbar krank. Ich fragte, ob ich ihr das Wort »ausschlafen« buchstabieren solle, und teilte ihr mit, dass sie bei uns nicht vor Mittags aufzukreuzen brauche. Meine Mutter sprach von den schlimmsten Weihnachten ihres gesamten Lebens, und ich erwähnte Josef

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