Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
Freundin von Amelie – von Svens Schwester«, erklärt sie. Auf Amelies Bitte schaue sie ab und zu nach ihm. »Sie ist aus beruflichen Gründen viel unterwegs und macht sich Sorgen wegen ihrem Bruder«, fügt Lisa Münzer hinzu. »Er ist depressiv, seit die Mutter der beiden letztes Jahr gestorben ist.«
Kommissarin Hasselmann klärt die junge Frau über den Sachverhalt auf. Kurz darauf erscheint ein Spezialist von der Berufsfeuerwehr und öffnet Sven Haberts Wohnungstür. Sie war nur zugezogen, nicht verschlossen.
»Sven!«, ruft Lisa Münzer und will als Erste die Wohnung betreten.
Aber Kommissarin Hasselmann hält sie zurück. »Ich muss Sie bitten, hier im Treppenhaus zu bleiben«, sagt sie. »Wir wissen nicht, was uns da drinnen erwartet.«
Lisa Münzer wird bleich. Sie setzt sich gegenüber der Wohnungstür auf die Treppe, die in den sechsten Stock hinaufführt. Kommissarin Hasselmann und ihr Kollege betreten die Wohnung und schließen hinter sich die Tür.
In der Wohnung ist es dunkel und so kalt wie in einem Kühlschrank. »Herr Habert?«, ruft Oberkommissar Meller. Keine Antwort. Er schaltet das Flurlicht ein und macht seiner Kollegin ein Zeichen. Sie soll einen Blick in die beiden Räume werfen, die sich rechts von dem kleinen Flur befinden. Er selbst schaut in dem Wohnzimmer auf der linken Seite und in dem Raum am Ende des Flurs nach.
Die Kommissarin inspiziert das Badezimmer und die Küche. Alles wirkt heruntergekommen und verschmutzt. Eva Hasselmann dreht sich zu ihrem Kollegen um und schüttelt den Kopf.
Im Wohnzimmer sieht es nicht viel besser aus. Oberkommissar Meller wirft nur einen flüchtigen Blick in den karg eingerichteten Raum. Boden und Möbel sind mit Staub bedeckt. Bücher und Magazine liegen überall verstreut. Von Sven Habert auch hier keine Spur.
Der Raum am Ende des Flurs muss das Schlafzimmer sein, sagt sich Meller. Die Tür ist angelehnt. Als der Oberkommissar sie öffnet, kommt ihm ein Schwall eiskalter Luft entgegen.
Meller schaltet das Deckenlicht ein. Obwohl er in mehr als zwanzig Jahren Polizeidienst schon einiges gesehen hat, verschlägt ihm der Anblick für einen Moment den Atem.
Auf dem Bett liegt bäuchlings eine reglose Gestalt. Kopf und Oberkörper stecken in einem überdimensionalen blauen Müllsack. Vorsichtig fasst Meller den Körper am Fußknöchel an und überzeugt sich davon, dass die Leichenstarre bereits eingetreten ist.
Der Müllsack enthält anscheinend noch eine Reihe unförmiger kleinerer Objekte. Der Kommissar mustert die Szenerie nachdenklich. Wenn das ein Suizid ist, dann ist es einer der seltsamsten, mit denen er es bisher zu tun hatte.
»Einen Notarzt brauchen wir jedenfalls nicht mehr«, sagt er.
Sein Blick fällt auf die Bücher und Magazine, die neben dem Toten auf dem Bett verstreut liegen.
»Sieh dir das an«, sagt er zu seiner Kollegin. »Herr Habert war in der rechten Szene unterwegs.«
An der Wohnungstür wird geklingelt. »Was ist mit Sven?«, ruft Lisa Münzer und klopft gegen die Tür. »Kann ich jetzt reinkommen?«
»Ganz im Gegenteil«, sagt Meller zu seiner Kollegin. »Wir gehen jetzt auch wieder raus und übergeben den Fall an die zuständigen Kollegen.«
Während die Polizeikommissare auf ihre für Todesermittlungen zuständigen Kollegen warten, kommt eine Frau mittleren Alters die Treppe hoch. Sie will in den sechsten Stock weitergehen, doch dann mustert sie die beiden genauer und bleibt am Treppenabsatz stehen.
»Ist etwas mit Herrn Habert?«, fragt sie. »Wie geht es ihm?«
Oberkommissar Meller zückt seinen Ausweis. »Sven Habert ist tot«, erklärt er. »Die genauen Umstände seines Ablebens werden noch ermittelt.«
Die Frau wirkt aufrichtig bekümmert. Sie stellt sich als Helga Barke vor, eine Nachbarin aus dem Dachgeschoss. »Ich kannte Herrn Habert nur flüchtig«, sagt sie. »Wir haben nur ab und zu im Treppenhaus ein paar Worte gewechselt. Aber mir ist aufgefallen, wie sehr er sich im letzten Jahr verändert hat. Er kam mir immer so bedrückt vor. Außer wenn …« Sie bricht unvermittelt ab.
Kommissarin Hasselmann lächelt sie aufmunternd an. »Was wollten Sie eben noch sagen, Frau Barke? Jede Beobachtung kann hilfreich sein.«
Helga Barke schaut einen Moment lang vor sich hin. Sie scheint um einen Entschluss zu ringen. Doch schließlich gibt sie sich einen Ruck.
»Früher hatte Herr Habert nicht solche Freunde«, erklärt sie mit gesenkter Stimme. »Ist mir jedenfalls nicht aufgefallen – bis letzten
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