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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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du ihn dann hereingeholt? Ich bin müde.«
    Spink sagte: ~Du weißt ja, wie's ist, Sherry. Manchmal geht's eben nicht anders.«
    Der Mann auf der Couch sagte: »Was war's noch mal für ein wundersamer Name?«
    Spink drehte sich zu mir um: »Jetzt können Sie sagen, was Sie sagen wollten. Und zwar mal ein bißchen hoppla, Marlowe.«
    Ich sagte nichts.
    Nach einem Augenblick hob der Mann auf der Couch langsam den Arm mit der Zigarette am Ende. Er drückte die Zigarette müde an den Mund und sog an ihr mit der ungeheuren Mattigkeit eines dekadenten Adeligen, der in seinem halbkaputten Schloß verschimmelt.
    »Ich rede mit dir, Kerl«, sagte Spink böse. Die Blondine wechselte erneut das Tuch, ohne jemanden anzusehen. Eine Stille lastete im Raum, so beißend wie Zigarettenrauch. »Na los, Mann. jetzt raus damit!«
    Ich zog eine von meinen Camels raus, zündete sie an, wählte einen Sessel und setzte mich. Ich streckte meine Hand aus und betrachtete sie. Der Daumen zuckte alle paar Sekunden auf und ab.
    Spinks Stimme fuhr schneidend in die Stille: »Hey, Sherry hat keinen ganzen Tag lang Zeit.«
    »Was würde er denn den ganzen übrigen Tag machen?« hörte ich mich selbst fragen.
    »Auf einer weißen Seidencouch liegen und sich die Fußnägel vergolden lassen?«
    Die Blondine drehte sich plötzlich um und starrte mich an. Spinks Mund stand sperrangelweit auf. Er zwinkerte. Der Mann auf der Couch hob langsam die Hand zu einer Ecke des Handtuchs über seinen Augen. Er nahm so viel von dem Handtuch weg, daß ein nußbraunes Auge zu mir hin blickte. Sanft fiel das Handtuch wieder zurück.
    »So können Sie hier nicht reden«, sagte Spink streng.
    Ich stand auf. Ich sagte: »Ich habe leider mein Gebetsbuch vergessen. Ich sehe zum ersten Mal, daß Gott auf Provisionsbasis arbeitet.«
    Eine Minute lang sagte niemand etwas. Die Blondine wechselte noch mal das Handtuch.
    Unter dem Handtuch sagte der Mann auf der Couch: »Macht, daß ihr rauskommt, meine Lieben. Alle bis auf den neuen Jungen.«
    Von Spink erhielt ich einen schmalen, haßerfüllten Blick. Die Blondine ging schweigend raus.
    Spink sagte: »Warum kann ich ihn nicht hochkant rausschmeißen?«
    Die müde Stimme unter dem Handtuch sagte: »Ich habe darüber schon so lange nachgedacht, daß es unwichtig ist. Raus.«
    »Okay, Boss«, sagte Spink. Er zog sich widerwillig zurück. An der Tür blieb er noch mal stehen, fauchte mich noch einmal lautlos an und verschwand.
    Der Mann auf der Couch wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, dann sagte er:
    »Wieviel?«
    »Sie können hier nichts kaufen.«
    Er riß das Handtuch von seinem Kopf, warf es auf die Seite und stand langsam auf. Er setzte seine handgenähten, rauhledernen, durchbrochenen Schuhe auf den Teppich und wischte sich mit der Hand die Stirn. Er sah müde aus, aber nicht zerstreut. Er griff sich noch eine Zigarette von irgendwoher, zündete sie an und starrte niedergeschlagen durch den Rauch auf den Boden.
    »Weiter«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, warum Sie vor meiner Wenigkeit diese große Show abgezogen haben«, sagte ich. »Aber soviel Grips traue ich Ihnen doch zu, daß Sie wissen, daß Sie hier nichts kaufen können, was dann auch wirklich nur Ihnen gehört.«
    Ballou nahm das Foto, das Spink in seiner Nähe auf einen langen niederen Tisch gelegt hatte. Er streckte eine matte Hand aus. »Das Teil, das da rausgeschnitten ist, ist sicher die Pointe vom Ganzen, stimmt's?«
    Ich zog das Kuvert aus meiner Tasche und gab ihm das ausgeschnittene Stück; ich sah zu, wie er die beiden Stücke zusammensetzte.
    »Mit einer Lupe können Sie die Schlagzeile lesen«, sagte ich.
    »Auf meinem Schreibtisch liegt eine - bitte.«
    Ich ging hinüber und nahm die Lupe von seinem Schreibtisch. »Sie sind's gewöhnt, daß man Sie bedient, was, Mr. Ballou?«
    »Ich zahle dafür.« Er betrachtete das Foto durch die Lupe und seufzte. »Ich glaube, ich habe den Kampf gesehen. Man sollte auf diese Männer besser aufpassen.«
    »So wie Sie auf Ihre Kunden«, sagte ich.
    Er legte die Lupe nieder und lehnte sich zurück, um mich mit kühlen, ruhigen Augen anzusehen.
    »Das ist der junge, dem >The Dancers< gehört. Heißt Steelgrave. Die Dame ist natürlich Kundin bei mir.« Er machte eine vage Geste zu einem Sessel hin. Ich setzte mich drauf. »An wieviel hatten Sie denn gedacht, Mr. Marlowe?«
    »Wofür?«
    »Alle Abzüge und das Negativ. Die ganze Chose.«
    »Zehn Mille«, sagte ich und beobachtete seinen Mund. Der Mund lächelte

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