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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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zurück, setzte sich wieder und betrachtete, was wir da an Karten liegen hatten.
    »Hat keinen Zweck«, sagte er. »Noch dreimal, und wir sitzen fest. Einverstanden, wenn wir nochmal anfangen?«
    »Einverstanden, wenn wir nie angefangen hätten. Ich spiele nicht Karten. Lieber Schach.«
    Er sah rasch auf zu mir. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Ich hätte auch lieber Schach gespielt.«
    »Ich würde lieber schwarzen Kaffee trinken, heiß und bitter wie die Sünde.«
    »Kommt jetzt gleich. Aber ich kann nicht versprechen, daß er so ist, wie Sie's gewöhnt sind.«
    »Ach was, ich esse doch alles. . . Also: wenn ich ihn nicht erschossen habe, wer dann?«
    »Ich glaube, genau das bringt sie so auf.«
    »Die sollten froh sein, daß er tot ist.«
    »Sind sie wohl auch«, sagte er. »Aber es gefällt ihnen nicht, wie es gemacht wurde.«
    »Also ich fand, es war eine saubere Arbeit, so sauber, wie man sie nur wünschen kann.«
    Er betrachtete mich schweigend. Er hatte die Karten zwischen den Händen, alle auf einem Haufen. Er glättete sie, klappte sie mit Bild nach unten und teilte sie sehr schnell in zwei Stapel. Die Karten schienen förmlich aus seiner Hand zu fließen, ein verwischter Strom.
    »Wenn Sie so schnell mit dem Schießeisen wären«, begann ich.
    Der Fluß der Karten stoppte. Ohne erkennbare Bewegung war nun ein Revolver an ihrer Stelle. Er hielt ihn mit leichter Hand, auf eine entfernte Ecke des Zimmers gerichtet. Er verschwand wieder, und die Karten setzten sich wieder in Bewegung.
    »Sie sind viel zu gut für hier«, sagte ich. »Sie sollten in Las Vegas sein.«
    Er nahm einen der beiden Stapel, mischte ihn schnell ein bißchen, teilte ihn und hatte einen Royal Flush in Pik.
    »An einem Steinway-Flügel bin ich sicherer«, sagte er.
    Die Tür öffnete sich, und ein Mann in Uniform trug ein Tablett herein.
    Wir aßen Corned Beef und tranken heißen, aber dünnen Kaffee. Jetzt war es heller Morgen.
    Um acht Uhr fünfzehn kam Christy French herein - stand da, mit seinem Hut auf dem Hinterkopf und dunklen Stellen unter den Augen. Mein Blick kehrte von ihm zurück zu dem kleinen Mann am Tisch gegenüber. Aber der war nicht mehr da. Auch die Karten waren nicht mehr da. Nichts war da, nur ein Stuhl, der säuberlich an den Tisch gerückt war, und auf einem Tablett das Geschirr, aus dem wir gegessen hatten. Einen Augenblick hatte ich ein unheimliches Gefühl.
    Dann kam Christy French von hinten zum Tisch, zog den Stuhl heraus, setzte sich und stützte sein Kinn auf die Hand. Er nahm seinen Hut ab und lockerte sein Haar. Er starrte mich an, mit seinen harten, mißmutigen Augen. Ich war wieder im Bullen-Land.

31
    »Der Staatsanwalt will Sie um neun Uhr sehen«, sagte er. »Danach werden Sie wohl nach Hause können. Das heißt, falls er Sie nicht doch noch am Schlafittchen kriegt. Tut mir leid, daß Sie die ganze Nacht auf diesem Stuhl aufbleiben mußten.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Ein bißchen Training konnte ich brauchen.«
    »Ah ja, wieder die alte Masche«, sagte er. Er stierte trübselig auf die abgegessenen Teller auf dem Tablett.
    »Habt ihr Lagardie?« fragte ich ihn.
    »Nein. Aber er ist wirklich ein Doktor.« Seine Augen trafen sich mit meinen. »Er hat in Cleveland praktiziert.«
    Ich sagte: »Finde ich gar nicht gut, wenn es so paßt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der kleine Quest wollte Steelgrave drankriegen. Und da trifft er doch ganz zufällig diesen Burschen in Bay City, der beweisen konnte, wer Steelgrave war. Das paßt einfach zu gut.«
    »Vergessen Sie nicht etwas?«
    »Müde genug bin ich; ich könnte sogar meinen Namen vergessen. Was denn?«
    »Ich auch«, sagte French. »Aber jemand mußte ihm sagen, wer Steelgrave war. Als das Foto aufgenommen wurde, war Moe Stein noch nicht erledigt. Also, was nützt das Foto, wenn nicht jemand wußte, wer Steelgrave war?«
    »Miss Weld hat es wohl gewußt«, sagte ich. »Und Quest war ihr Bruder.«
    »Sehr schlau sind Sie nicht, mein Lieber.« Er grinste ein müdes Grinsen. »Warum sollte sie ihrem Bruder helfen, ihren Freund in die Klemme zu bringen und sich selbst auch?«
    »Ich geb's auf. Vielleicht war das Foto einfach ein Glückstreffer. Seine andere Schwester - also meine Klientin - hat mir erzählt, daß er gern verfängliche Fotos aufnahm. je verfänglicher, desto besser. Wenn er lange genug gelebt hätte, wäre er wegen Verleumdung belangt worden.«
    »Wegen Mordes«, sagte French gleichgültig.
    »Ach nein!«
    »Maglashan hat den

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