Die Klinge des Löwen 01
nicht im unwegsamen Gelände. Ihr
könnt also absteigen und Euch ausruhen.“
Er sprang rasch aus
dem Sattel, nahm ihr beflissen den Knaben ab und stellte ihn neben
sich auf die Erde, um dann eilfertig Ida vom Pferd zu helfen, die
sich dabei regelrecht in seine Arme gleiten ließ. Sie kicherte
in dem kurzen Augenblick, da sie an seiner Brust lag, als wäre
das ein toller Spaß für sie. Aber sogleich wurde ihr
bewußt, daß wohl aller Augen auf sie gerichtet waren und
daß dieses Schauspiel, das sie bot, sich für eine Edelfrau
nicht ziemte. Mit einem Ruck machte sie sich frei, anstelle des
Lächelns erschien ein Ausdruck zorniger Empörung auf ihrem
Gesicht, und mit überraschender Schärfe in der Stimme sagte
sie: „Ich danke Euch, Herr Ritter, für Eure Hilfe, wenn
sie auch etwas ungeschickt ausfiel! Aber das hat ja nichts zu
bedeuten. Auf Reisen muß man manchmal mit Unannehmlichkeiten
rechnen!“
Sie nahm
Klein-Bernhard bei der Hand, wandte sich brüsk von dem
verdatterten Dietrich ab und setzte sich mit dem Knaben auf einen
umgestürzten Baumstamm. Auch Bertha war abgestiegen und gesellte
sich zu ihnen. Dietrich bildete sich ein, daß ein spöttisches
Lächeln ihre Lippen umspielte, als sie an ihm vorbeiging und ihn
ansah. Das ärgerte ihn fast noch mehr als Idas seltsames
Benehmen.
Er hatte einen roten
Kopf bekommen und stand einen Moment da wie ein gemaßregelter
Stallknecht. Fast hätte ihn sein etwas hitziges Temperament dazu
verleitet, Ida wegen ihrer, wie er meinte, absurden Kritik zur Rede
zu stellen
Aber Greif, der
schwarze Wolfshund, kam in diesem Augenblick schweifwedelnd auf ihn
zu, was den Gedanken Dietrichs eine andere Richtung gab. Er kraulte
dem Hund, der ihn freudig begrüßte, das Genick, so daß
seinen Ärger vorübergehend etwas gedämpft wurde.
Als hätte Greif
damit seine Aufgabe als Friedensstifter erfüllt, verließ
er nun den Ritter und begab sich zu den zwei Frauen und dem Kind. Er
ließ sich neben den dreien nieder, und schon hellte sich die
Miene des Knaben auf. Er griff ihm mit seiner kleinen Faust lachend
ins Nackenhaar, und Greif fegte zum Zeichen der Freundschaft mit
seinem buschigen Schwanz den Boden. Er schien den Kleinen bereits zu
seinem Schützling erkoren zu haben. Roland, sein Herr, saß
währenddessen abwartend auf seinem Roß und beobachtete die
Szene mit breitem Lächeln.
Inzwischen hatte
Dietrich sich zu den beiden Waffenknechten begeben, die ebenfalls
abgestiegen waren. Er begann, ihnen ein Problem auseinanderzusetzen,
das ihm erhebliches Kopfzerbrechen bereitete. „Wenn wir nachher
diesen Platz verlassen und weiterziehen, heißt es auf der Hut
zu sein. Die letzte Brücke über den Fluß, die wir
benutzen können, befindet sich oberhalb des Weilers Biberaha,
also nicht sehr weit von hier. Wir sind praktisch gezwungen, dort auf
die andere Seite der Künzig zu wechseln. Aber tun wir das, so
setzen wir uns der Gefahr aus, Bewaffneten des Geroldseckers zu
begegnen oder sogar in einen Hinterhalt zu geraten.“
Er rieb sich die
Nase und blickte von einem zum anderen. Giselbert nickte schweigend.
Erdmann, ein etwa zwei- bis
dreiunddreißig Jahre alter, schwarzhaariger Mann mit fahlem
Gesicht und unstetem Blick, wiegte skeptisch den Kopf. Er tat,
als dächte er über das Problem nach, und sagte schließlich:
„Die Künzig führt Hochwasser, Herr! Wie sollen wir
sonst über den Fluß kommen, wenn nicht bei Biberaha?“
„ Das weiß ich wohl,
Erdmann“, entgegnete Dietrich etwas schroff. „Es scheint,
als wären wir wirklich auf diese Brücke angewiesen. Aber
alles ist verloren, wenn wir dabei in die Hände Urbans fallen.“
Tatsächlich lag
die Burg Geroldseck für die Reisenden in bedrohlicher Nähe.
Sie erhob sich etwa eine Meile südlich des Rauhkastens ,
einem zum westlichen Höhenzug gehörenden Berg. Von dort
beherrschte Graf Urban nicht nur die sich im Westen ausbreitende
Rheinebene. Er hatte auch einen ostwärts ins Künzigtal
absteigenden Weg anlegen lassen, so daß er seine Streitmacht
bei Bedarf schnell in beide Himmelsrichtungen entsenden konnte.
Hatten seine Krieger die Künzigtalaue erst einmal erreicht, so
war für sie die Entfernung bis zur Brücke von Biberaha
nicht mehr als ein Katzensprung.
„ Wir teilen uns in zwei
Gruppen“, erklärte Dietrich nach einigem Nachdenken. „Du,
Giselbert, reitest mit Roland voraus. Ihr habt das Gelände vor uns zu sichern und im Bereich
der Brücke zu erkunden, ob die Luft rein ist. Wir werden euch in
einigem
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