Die Klinge des Löwen 02
kann man nicht leben, das solltet Ihr eigentlich wissen.
Es gibt Schranken, die niemand ungestraft niederreißen darf.“
„ Seltsam
- Eure harten Worte beglücken mich dennoch, denn sie sagen mir,
daß Ihr wißt, wovon ich spreche.“
„ O
ja, das weiß ich wohl“, sagte sie leise und ihre Stimme
wurde auf einmal weich. „Aber bedenkt doch, es gibt keine
Brücke zwischen uns.“
„ Gebt
mir ein Seil, und ich überwinde den tiefsten Abgrund!“
„ Ihr
redet wie ein närrischer Minnesänger, und das steht Euch
gar nicht. Außerdem bin ich eine verheiratete Frau, für
die es sich nicht ziemt, sich solcherart mit einem fremden Mann zu
unterhalten.“
„ Fremd?
Um Himmels willen, bin ich fremd für Euch?“
Begütigend
legte sie ihm vom Sattel aus ihre Hand auf seinen Arm. „Verzeiht,
das Wort war schlecht gewählt. Aber Ihr wißt, wie ich es
meine, oder nicht?“
Dietrich
setzte eine Trauermiene auf. „O ja, ich habe alles begriffen.
Mein schöner Traum schwindet, als wäre er nur ein
Schatten...“
„ Seid
doch nicht so betrübt. Was wir beide uns wünschen, kann
nicht in Erfüllung gehen.“ Sie sah ihn mit feuchten Augen
an und setzte leise hinzu: „Verzichtet, denn ich muß es
ja auch.“
Er
tat einen tiefen Atemzug. Ein Gefühl unbändiger Freude
wallte in ihm auf, denn zum zweitenmal hatte sie ihm unzweifelhaft
gezeigt, wie sie zu ihm stand. Alles Trennende zählte nicht mehr
für ihn. Aber noch ehe er dazu kam, seinem Glücksgefühl
Ausdruck zu verleihen, wurden sie gestört. Bertha, die den
Knaben vor sich im Sattel hatte, war herangekommen und musterte sie
mit mißtrauischer Neugier.
„ Es
kann nicht mehr weit sein, Gräfin“, wechselte Dietrich
schnell das Thema. „Bald werdet Ihr und Euer Kind auf der
Kastelburg in Sicherheit sein.“
Noch
einmal nickte sie ihm lächelnd zu. Ihre Augen umfaßten ihn
voll leuchtender Zärtlichkeit, und er las darin Verheißung
und Verzicht zugleich. Er warf ihr einen Blick so voller Glut und
Begehren zu, daß eine seltsame Erregung ihre Adern
durchrieselte und ihr für einen Moment den Atem nahm. Dann
neigte er leicht den Kopf, trieb abrupt sein Streitroß nach
vorne und schloß zu Giselbert auf.
Schon
bald hatten sie den Rand des Geroldswaldes erreicht, dessen
südwestliches Ende sich als Grat eines Bergrückens
fortsetzte. Sie blieben zunächst auf diesem Höhenzug, bis
sie zu einem „Finsterkapf“ genannten Berg kamen, den sie
knapp unterhalb des Gipfels passierten. Von dort begannen sie den
Abstieg in die Frischnau, eine Talaue, von der aus sie schließlich
in das Tal der Elz gelangten.
Nun
hatten sie einen Karrenweg vor sich, der zu der Freisassen-Siedlung
Waldkirch und der Kastelburg führte. Sie kamen rasch vorwärts,
und nach zwei Stunden hatten sie die Burg in Sichtweite. Sie lag
oberhalb der aus wenigen Gehöften bestehenden Siedlung auf dem
der Elz zugewandten Rücken eines bewaldeten Bergkegels, dessen
Talseite steil abfiel. Um die Burg herum war der Wald abgeholzt, und
herunter bis ins Tal hatte man eine hundert Klafter breite Schneise
geschlagen, um bei einem Angriff dem Feind keinen Sichtschutz zu
bieten.
Beim
Anblick der Kastelburg verhielt Dietrich sein Roß und gebot den
übrigen durch ein Handzeichen, ebenfalls anzuhalten. Er winkte
den Wortführer ihrer Bedeckung zu sich.
„ Ich
möchte eure Dienste nicht länger als nötig in Anspruch
nehmen. Ab hier besteht wahrlich keine Gefahr mehr für uns, ihr
könnt daher jetzt umkehren. Wenn ihr scharf reitet, seid ihr
spätestens morgen mittag wieder daheim. Eure Burgherren werden
es euch danken, wenn ihr so bald zurückkommt.“
Ohne
viel Worte verabschiedete sich die Schutztruppe, und zurück
blieben neben Dietrich und seinen Schützlingen nur Giselbert und
Roland mit seinem Hund Greif.
Dietrich
richtete sich im Sattel auf und ließ lächelnd seinen Blick
über die anderen wandern.
„ Nun
sind wir wieder unter uns, nicht wahr?“ sagte er schmunzelnd.
„Eine kleine, aber erfolgreiche Schar. Jeder hier, ob Mann oder
Frau, hat in den letzten Tagen sein Bestes gegeben.“
Rolands
Wolfshund hatte sich vor Dietrichs Roß aufgepflanzt und hielt
den wolligen Kopf schräg. Dietrich betrachtete ihn einen
Augenblick sinnend, dann lachte er. „Natürlich, du
schwarzer Räuber, auch du hast deinen Anteil am Erfolg! Beim
nächsten Festessen wird man es dir lohnen!“
„ Er
hat aber auch wirklich etwas geleistet“, warf Ida lächelnd
ein.
Dietrich
erwiderte gutgelaunt: „Ich werde
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