Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
selbst dazu nicht in der Lage war, musste die Nachricht wirklich sehr wichtig sein. Das bedeutete, dass er, Huntley, sie jetzt einige Zeit am Hals hatte. Möge der Erzengel Michael vom Himmel herabsteigen und ihm in die Eier treten.
Nachdem sie sich schließlich aus der Umarmung ihres Vaters gelöst hatte, steckte Thalia den Gegenstand ihres Vaters in die Tasche. Dann ging sie entschlossen zu einem der gesattelten Pferde und nahm die Zügel entgegen. Anschließend stellte sie ihren Stiefel in den Steigbügel und schwang sich mit einer Leichtigkeit in den Sattel, die jeden Kavalleristen mit Stolz erfüllt hätte. Der Diener stieg ebenfalls auf. Während seine Tochter und sein Diener wendeten und die Pferde zum Galopp antrieben, hob Burgess zum Abschied die Hand. Dann verschwanden sie in der Dämmerung.
Huntley wartete, bis Burgess und die weibliche Bedienstete ins Zelt zurückgegangen waren, erst dann stieg er auf sein eigenes Pferd. Die Stute reagierte heftig, als er seine Hacken in ihre Flanken presste, und fing bereitwillig an zu galoppieren. Mongolische Pferde brauchten Bewegung und Freiheit. Dieses Gefühl war Huntley vertraut. Er kannte sich weder in der Stadt noch in dem Land aus; trotzdem würde er Thalia Burgess’ Spur in der Dunkelheit finden.
Sie mochte eine der ungewöhnlichsten Frauen sein, die ihm je begegnet war, doch er würde ihr folgen, ob sie seine Hilfe wollte oder nicht. Egal wohin die Reise sie führte.
»Wir werden verfolgt.«
Batu drehte sich im Sattel um und blickte hinter sich, doch er sah nur sanfte, mit bräunlichem Gras bewachsene Hügel unter weitem blauem Himmel. Außer ihnen schien sich niemand in der Steppe westlich von Urga aufzuhalten. Vor ein paar Stunden war die Sonne aufgegangen, und um die Tiere zu schonen, hatten sie das Tempo gedrosselt und trabten.
»Ich sehe niemanden, Thalia Guai «, sagte Batu.
»Dazu ist er zu geschickt. Wir können ihn nicht sehen«, erwiderte Thalia. Sie ließ den Blick über die Landschaft schweifen, über die sanften Hügel, die vereinzelten Felsen und die Schatten der Wolken, die der trockene Nordwestwind über die Steppe hinwegtrieb. Sie holte tief Luft und spürte, wie die kühle Herbstluft ihre Lungen füllte und den Schmutz der Stadt vertrieb. Gott, es tat gut, aus Urga herauszukommen!
»Wer?«
»Hauptmann Huntley.«
»Der Mann mit den goldenen Haaren und Augen? Er schien wütend zu sein.«
Thalia nickte knapp und erinnerte sich nicht nur an die bemerkenswerte Erscheinung und das Auftreten des Hauptmanns, sondern auch an seine eindrucksvolle Wirkung auf sie. »Er folgt uns, seit wir Urga verlassen haben«, erklärte sie. Sie versuchte, ihre Gefühle als Ärger zu deuten. Denn sie verfügte weder über die Zeit noch die Energie, sich mit einem lästigen Soldaten zu befassen. Noch weniger konnte sie mit den Gefühlen anfangen, die seine Gegenwart in ihr auslöste. »Anscheinend hat er es nicht ernst genommen, dass mein Vater seine Hilfe abgelehnt hat. Der Hauptmann folgt uns und will uns seine Unterstützung aufzwingen.«
Kurz überlegte sie, ob ihr Vater den Hauptmann hinter ihnen hergeschickt hatte, damit er Batu und sie auf ihrer Mission beschützte, doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder. So sehr Franklin Burgess die Sache missfiel, die Sicherheit und Geheimhaltung der Klingen ging vor.
»Sind Sie sicher?« Batu sah sich erneut um. »Wir scheinen ziemlich allein zu sein.«
»Ich bin sicher.« Thalia tätschelte aufmunternd den Hals ihres Pferdes. Ihre Reise hatte gerade erst begonnen, und die Tiere mussten noch lange durchhalten. Sie deutete auf eine Anhöhe. Auf der anderen Seite lag ein schmales Tal, durch das sich ein klarer Fluss wand. »Da drüben machen wir halt, tränken die Pferde und essen etwas. Wir warten, bis der Hauptmann uns einholt, und erklären ihm freundlich, aber bestimmt, dass er uns allein lassen soll.«
Batu schien noch immer zu bezweifeln, dass sich, abgesehen von ihnen und vereinzelten Gazellenherden, noch jemand in der Steppe aufhielt. Thalias Instinkt täuschte sie allerdings selten, und so ließ er die Sache auf sich beruhen.
Kurz nachdem sie den Stadtrand von Urga hinter sich gelassen hatten und die Gers entlegenen Ails und Lagern Platz machten, hatte sie bemerkt, dass ihnen jemand folgte. Es konnte nur Hauptmann Huntley sein. Sie bemerkte ihn, obwohl er sehr leise war und sein Pferd kaum verräterischen Staub aufwirbelte.
Seit er in das Ger ihres Vaters getreten war, hatte sie seine
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