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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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Schneider ernährt, sie konnte nicht einmal mehr schlucken.
    Lukas verließ die Küche und trat wieder in den schmalen, dunklen Hausflur. Er sah die Kommode, zu der der kleine Schlüssel gehörte, der vorhin aus dem Umschlag gefallen war. Kurz überlegte er, nachzusehen, was ihm Herr Schneider aufgeschrieben hatte. Aber Lukas musste aufs Klo. Also stieg er die schmale Treppe hoch ins Obergeschoss und öffnete die Tür zum Badezimmer. Es sah wirklich alles aus wie damals. Sogar die grünen Vorleger auf dem Boden schienen die gleichen zu sein. Während Lukas auf der Toilette saß, hörte er durch das gekippte Badezimmerfenster eine Sirene. Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr … das konnte er nie unterscheiden.
     

5. Midnight Pumpkin
     
    Als Lukas noch in seinem Auto saß und über den großen Ameisenbären nachdachte, da war Simon auf dem Weg nach Hause. Simon war sieben Jahre alt, 121 Zentimeter groß und trug auf seinem Rücken eine viel zu schwere, mit orangefarbenen Reflektoren beklebte Schultasche. Gerade hatte man ihm und seinen Klassenkameraden gesagt, dass heute der Sportunterricht ausfalle, und so hatte er sich auf den Heimweg gemacht. Seine Eltern waren um diese Zeit nicht da, aber an einem neongrünen Band, dass er um den Hals trug und das eigentlich ein Schnürsenkel war, baumelte der Haustürschlüssel. Simon beeilte sich, er rannte fast. In seiner Schultasche rumpelten die Bücher. Noch ungefähr zehn Minuten … und dann noch fast eine Stunde, bis seine Mutter von der Arbeit kam. Solange seine Eltern nicht da waren, konnte er Nintendo spielen. Niemand, der ihm sagte, er solle lieber raus gehen, an die frische Luft. Was war überhaupt so toll an frischer Luft?
    Simon geriet außer Atem und machte langsamer. Er kickte einen Tannenzapfen vor sich her, der schon ziemlich vertrocknet aussah und den außerdem jemand platt getreten hatte. Rechts lag die Straße, links der Wald. Beides war gefährlich. In den Wald durfte er nicht und auch nicht auf die Straße. Auf der Straße wurde man überfahren und im Wald verirrte man sich. Wie oft hatten seine Eltern im eingebläut, immer den geraden Weg nach Hause zu nehmen. Und dabei war Simon sich sicher, dass es noch andere Wege gab … kürzere Wege, spannendere Wege. In dieser Hinsicht war ihnen sowieso nicht zu trauen. Wie war es denn an den Wochenenden, an denen sie wandern gingen? Da sagten seine Eltern auch immer, dass es nicht mehr weit war und dass man auf dem kürzesten Weg sei. Und dann ging es noch Stunden bis man endlich irgendwo ankam. Ewig latschte man in der Gegend herum.
    Noch fünf Minuten bis nach Hause, vorne war schon das Straßenschild. Auf einmal hörte Simon ein aggressives Sirren, das Aufheulen eines Elektromotors. Es kam von links, aus dem Wald. Er konnte das Geräusch nicht einordnen, wusste aber sofort, dass er es schon gehört hatte. Simon blieb stehen und lauschte. Ein Auto fuhr vorbei und machte Lärm. Doch als es wieder still war, da hörte Simon wieder dieses Geräusch und jetzt wusste er, was das war. Er bog links ab, auf einen schmalen Waldweg. Er lief an aufgeschichtetem Sturmholz vorbei und immer tiefer hinein in den Wald. Und dann … nachdem er fünf Minuten diesem Geräusch gefolgt war … sah er ihn vor sich. Es war tatsächlich ein Midnight Pumpkin, genau das ferngesteuerte Auto, das er haben wollte. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht betrachtete Simon die großen, schwarzen Ballonreifen. Er konnte sogar den Kürbiskutschen-Aufkleber auf der Seite des Monstertrucks erkennen. Das Auto fuhr ein kleines Stück vorwärts, die Vorderreifen lenkten ein und Simon sah, dass der Ford-Schriftzug hinten auf dem ferngesteuerten Auto weiß angemalt war. Es war also tatsächlich das Auto, das sich sein blöder Bruder unter den Nagel gerissen hatte … genau das gleiche Auto. Simon hatte es vor drei Wochen auf dem Dachboden gefunden, in einer der alten Spielzeugkisten seines Vaters. Er hatte es nach unten getragen und sogar sauber gemacht. Und dann hatte sein Bruder es bekommen. Und alles nur, weil der Blödmann zufällig Geburtstag hatte. Und wahrscheinlich – nein: ganz sicher! – wünschte der Arsch es sich ja nur, damit Simon es eben nicht haben konnte. Was für eine Ungerechtigkeit! Er spielte ja nicht einmal mehr damit. Sein Bruder hatte das Auto auf den Schrank gestellt und Simon kam nicht ran.
    Aber wieso war es dann hier? Und wer steuerte den Midnight Pumpkin? War sein Bruder in der Nähe? War das ein Scherz? Saß er irgendwo im

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