Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
Vom Netzwerk:
von den Schneiders ausgeliehen hatte. Dann schlüpfte er mit dem linken Arm wieder in den Träger. Der Messergriff fühlte sich seltsam weich an und Lukas klammerte sich mit aller Kraft an seine Waffe.
    Schräg links vor ihm war eine Ansammlung krautigen Farns. Dieses Zeug, an das sich die Zecken klammern und auf Opfer warten. Das Gestrüpp war groß und dicht genug, dass sich ein Wesen von der Größe eines Kindes darin verbergen konnte. Und die Blätter bewegten sich, ganz leicht nur … aber sichtbar.
    Lukas machte einen Schritt nach vorne und als der Schotter unter seiner Sohle knirschte, da bewegten sie sich wieder, die verdammten Blätter. Es raschelte. Lukas verteilte sein Gewicht gleichmäßig auf beide Beine, hielt den Atem an und warf einen schnellen Blick auf die glänzende Klinge, diese scharf geschliffene Verlängerung seines Armes … als müsse er sich versichern, dass sie noch da war. Er wartete zehn Sekunden, dann bückte er sich – die Augen starr auf das grüne Dickicht gerichtet – und griff sich mit der Linken eine Handvoll Schotter. Er zögerte, richtete sich auf, prüfte seinen Stand und warf den Schotter mit einer ruckartigen, wenig eleganten Bewegung in das Gestrüpp. Als etwas Schwarzes heraussprang, da setzte sein Herz einen Schlag aus und der Griff um das Messer wurde noch ein wenig härter.
    Es war eine Katze, eine verdammte Katze. Ein großes, pechschwarzes Tier. Aber trotzdem verdammt nochmal nur eine Katze. Mit gelben Augen sah sie Lukas an und Lukas starrte mit blauen Augen zurück. Langsam ließ er das Messer sinken. Kein Grund, eine Katze zu erstechen … auch wenn sie ihn höllisch erschreckt hatte. Das Tier machte ein paar Schritte auf Lukas zu und er sah, dass es wunderschön war. Ein kräftiger, schlanker Raubtierkörper und seidig glänzendes Fell. Dazu die großen gelben Augen. Lukas machte einen Schritt nach vorne und auch die Katze näherte sich. Zwei Kreaturen, die sich gegenseitig erschreckt hatten und nun dabei waren, Frieden zu schließen. Gerade wollte Lukas sich bücken, um das große Tier zu streicheln, als ihn etwas irritierte. Die Katze zitterte. Sie legte den Kopf schräg zur Seite und ihr ganzer Körper schien zu pulsieren. Lukas dachte an einen epileptischen Anfall. Können Katzen Krampfanfälle haben? Unbewusst machte er einen Schritt weg von dem zitternden, pulsierenden Körper. Und dann begann die Katze zu würgen, sie öffnete die Schnauze und Lukas sah die großen, gelblichen Fangzähne. Das Tier stieß abgehackte, fauchende Geräusche aus. Wie ein Mensch der sich erbrechen muss. Und dann würgte es tatsächlich etwas hervor. Ein grauer, verklebter Klumpen schob sich aus dem Rachen der Katze.
    Lukas merkte, dass ihm schlecht wurde, ein bitterer Geruch wehte ihn an und er nahm den Kopf zurück. Das Tier würgte und zitterte, der schwarze Körper arbeitete wie eine Pumpe, unter dem glänzenden Fell zeichneten sich gespannte Muskeln ab. Und dann fiel mit einem dumpfen Platschen dieser graue, feucht glänzende Klumpen auf den Schotter. Mit einer Mischung aus Ekel und Faszination starrte Lukas auf dieses Etwas. Er brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, was es war: Ein junger Vogel … verklebt, zerdrückt, blutverschmiert. Lukas drehte sich weg, behielt aber das Ding im Blick. Die Katze stand starr da und betrachtete aus wenigen Zentimetern Entfernung das halb verdaute Ding, das sie gerade ausgekotzt hatte. Und dann sah Lukas etwas, das ihn leise aufstöhnen ließ. Aus dem schleimigen Knäuel hob sich ein kleiner nackter Kopf mit geschlossenen Augen und orangefarbenem Schnabel. Der Vogel war noch am Leben. Ganz langsam öffnete sich der Schnabel, es kam aber kein Ton heraus. Die Katze streckte ihre Pfote aus, drückte sie auf den sterbenden Vogel und drehte das Tier zur Seite. Lukas sah, dass der nackte Bauch des Jungvogels gerissen war. Und aus der Wunde quoll etwas heraus, das wie ein rosafarbener, mit hellblauen Adern überzogener Luftballon aussah. Die Katze schob ihre Schnauze vor und schnupperte daran. Da machte Lukas einen schnellen Schritt nach vorne und die Katze drehte ihren Kopf zu ihm. Er machte noch einen Schritt und sie fauchte ihn an. Lukas hob das Messer. Und plötzlich machte die Katze einen Satz … weg von Lukas und weg von dem sterbenden Vogel. Schnell und ohne sich umzusehen lief sie den Pfad entlang Richtung Straße.
    Lukas war allein mit der sterbenden Kreatur. Er wusste nicht, was er tun sollte. Kurz war er davor, einfach zuzutreten,

Weitere Kostenlose Bücher