Die Knochenkammer
die Bestiariumsausstellung im Naturkundemuseum eingerichtet wurde, fing Katrina an, mehr und mehr Zeit dort zu verbringen.«
Clem hatte ihre Schuhe ausgezogen und ihre Füße untergeschlagen. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mir einen Drink genehmige?«
Mike ging zu dem Schränkchen unter dem Fernseher und öffnete die Minibar. »Was hätten Sie denn gern?«
»Gibt es Jack Daniels? Ich nehme ihn pur.«
Er goss den Inhalt zweier kleiner Fläschchen in ein Kristallglas.
»Ich befürchte, ich bin keine typische Doktorandin. Ich bin ein bisschen aufsässiger als die meisten, deshalb hat man mich auch rausgeschmissen. Ich glaube, ich habe das erste Mal bei Katrina was bewegt, als ich mich wegen des Meteoriten engagierte.«
Chapman war neugierig. Die Anthropologin war eine interessantere Person, als er erwartet hatte. »Nichts für ungut, Clem, aber ich kapier nicht, worüber man sich in diesen alten Museen großartig aufregen kann. Steine aus dem Weltall?«
»Ah, Sie sind so weiß. Entschuldigen Sie, Mr. Wallace. Sie und Ms. Cooper, genau wie Katrina.«
Mercer lachte.
»>The Mighty Quinn<«, wiederholte Mike. »Lassen Sie uns zum Punkt kommen, Clem. Ich habe eine waschechte EskimoFrau erwartet, aber Sie haben diese stechenden grünen Augen und keinen Walfischspeck bei sich.«
»Meine Mutter ist Dänin, Mr. Chapman. Grönland war früher eine dänische Kolonie. Meine Mutter ging mit zweiundzwanzig als Lehrerin dorthin und heiratete meinen Vater. Eskimo seit der Besiedlung der Insel.« Sie nahm ein glänzendes schwarzes Haarbüschel zwischen die Finger und ließ es wieder fallen. »Die Haare und die Haut - seine Gene waren ziemlich dominant.«
»Was hat das mit einem Meteoriten zu tun?«
»Kennen Sie den Willamette-Meteoriten, das Herzstück des Planetariums des Museums?«
»Ja, toller Gesteinsbrocken. Der größte der Welt, oder?«
»Fünfzehneinhalb Tonnen schwer. Er wurde in Oregon gefunden, auf Land, das einem Indianerstamm gehörte. Den Clackamas-Indianern. Der Meteorit stürzte vor Tausenden von Jahren auf die Erde. Forscher brachten ihn hierher, und er ist seit fast einhundert Jahren, seit 1906, im Museum ausgestellt.«
»Und?«
Clem nahm einen großen Schluck von ihrem Bourbon.
»Für die Indianer hat der Meteorit große spirituelle Bedeutung. Der Stamm verehrt ihn seit Jahrhunderten, da er für sie die Einheit zwischen Himmel, Erde und Wasser repräsentiert.«
»Sind sie nicht vor Gericht gegangen, um ihn zurückzubekommen?«
»Doch, und vor einigen Jahren kam es zu einem Vergleich. Der Stamm ließ seine Rückgabeforderungen fallen; im Gegenzug stimmte das Museum zu, mit Hilfe des Meteoriten über die religiöse und kulturelle Geschichte des Stammes zu informieren. Aber es gab einen Haken.«
Mike ließ sich von Clems Enthusiasmus anstecken und hörte aufmerksam zu.
»Wie sich herausstellte, hatte das Museum ein achtundzwanzig Pfund schweres Stück abgeschlagen, bevor die Abmachung getroffen wurde.«
Er lachte.
»Denken Sie, dass ich Spaß mache? Wissen Sie, wie viel ein Sammler für ein Stück eines seltenen Meteoriten zahlt? Tausende von Dollar pro Unze. Dieses achtundzwanzig Pfund schwere Stück ist Millionen wert. Sie haben richtig gehört, Millionen.«
»Was ist daraus geworden?«
»Das Museum tauschte das ganze Ding bei einem Privatsammler gegen einen kleinen Meteoritenbrocken vom Mars ein. Was tut der Kerl? Er fängt an, winzige Stückchen davon auf Auktionen zu verscherbeln.«
»Da waren die Indianer sauer.«
»Und ich auch.«
»Also haben Sie die Truppen um sich geschart?«
»Worauf Sie wetten können. Nur ein Graswurzel-Versuch, den Indianern zu helfen. Wir haben sogar zwei Käufer dazu gebracht, dem Stamm die kleinen Kometensplitter zurückzugeben, darunter passenderweise einen Chiropraktiker aus Oregon, wenn wir schon bei spirituell sind. Ich denke, das war das erste Mal, dass Katrina verstand, was einem primitiven Volk heilig ist.«
»Hat ihr ihre südafrikanische Abstammung -?«
»Denken Sie mal nach, Mike. Kann ich Sie Mike nennen? Katrinas Eltern haben ihr ganzes Leben in dem ApartheidSystem verbracht. Sie wurde in diese Gesellschaft geboren und an weißen Schulen erzogen. Sie studierte in England und Frankreich, und was geschah? Sie vertiefte sich in mittelalterliche Studien und entfernte sich noch weiter von der wirklichen Welt. Das Mädchen brauchte eine Seele, und ich versuchte, sie ihr zu geben.«
»War das vor ihrer Vergewaltigung?«
»Im Park? Ja.
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