Die Knochenkammer
vornüberkippte und vom Dach fiel, nur dass sein Gehirn jetzt Matsch ist, sodass wir nie herausfinden werden, welche Erkrankung es war? Ja, ich bin am Met, warum?«
»Sie melden es als einen Unfall, also war ich mir nicht sicher, ob du darüber Bescheid weißt.«
»Ich war gerade dabei, mir ein ein Pfund schweres New York Strip Steak mit Kartoffelbrei und Knoblauch schmecken zu lassen, als plötzlich alle verrückt spielten. Die Hells Angels und die Pagans hielten vor dem Roseland Ballroom eine Motorradparade ab. Es fielen Schüsse, und es endete damit, dass einer der Engel dem Heiligen Petrus einen vorzeitigen Besuch abstattete. Dann wurde ein junger Hipster in Yorkville auf seine Freundin wütend, weil sie sich von einem andern Kerl in der Kneipe um die Ecke Tequila aus dem Bauchnabel schlürfen ließ, also briet er ihr, als sie nach Hause kam, eins mit einer 5-Kilo-Hantel von ihrem Richard-Simmons-Workout-Programm über, was wiederum nur beweist, dass Sport Mord sein kann. Und dann das.«
»Hat dich jemand vom Museum wegen Bermudez kontaktiert?«
»Du hast für heute deine Quote an dämlichen Fragen aufgebraucht. Natürlich nicht. Ich saß in der Notaufnahme des Mount Sinai Hospital und wartete darauf, mit dem verstörten Liebhaber des Mädchens zu sprechen, die den zertrümmerten Schädel nicht überlebte, als man Bermudez reinbrachte. Bei Ankunft tot.«
»Die Ambulanz hat ihn erst um Mitternacht ins Krankenhaus gebracht?«
»Nachdem er sich den ganzen Nachmittag nicht hatte blicken lassen, suchte man das Museum nach ihm ab. Vor allem das Untergeschoss, wo er normalerweise arbeitete. Als es schon dunkel war, um circa neun Uhr, sind sie wieder raus aufs Dach, wo ein Wärter den gesunden Menschenverstand hatte, mit der Taschenlampe in den Innenhof hinabzuleuchten. Der arme Bermudez hatte diese orangefarbenen Leuchtstreifen an seinen Arbeitsstiefeln. Der Kerl leuchtete auf wie ein Glühwürmchen, ein Bein in der chinesischen Sammlung, das andere in Ägypten.«
»Hat man die Polizei gerufen?«
»Ja, Emergency Services mussten in den engen Innenhof hinabklettern und ihn zusammenklauben. Es war ihr Bus, der ihn ins Krankenhaus gebracht hat. Nur deshalb wusste ich, dass am Museum etwas mit tödlichem Ausgang passiert war. Dann kam deine Freundin.«
»Und wer wäre das?«
»Eve Drexler.«
»Natürlich. Sie nimmt Thibodaux’ Anrufe entgegen, solange er weg ist.«
»Ja, er ist noch immer in Washington. Eve kam, um den Schaden mit Bermudez’ Familie und der Presse zu begrenzen.«
»Welche Arbeiten hat er sonst noch am Met durchgeführt?«
»Hansdampf in allen Gassen, wie die meisten in der Abteilung. Und falls du wissen willst, ob er etwas mit der Verladung von Stücken zu tun hatte, die aus dem Museum verschifft werden: hatte er. Ich hab die Sache im Griff, Blondie. Ich habe Eve gesagt, dass wir all seine Arbeitsunterlagen vom letzten Jahr einsehen wollen. Stempelkarten, Auftragsanweisungen etc. Ich bin gerade in ihrem Büro, um zu sehen, was man mir heute in die Hände drücken kann. Wir werden mit seinen Kollegen und Kumpeln sprechen und herausfinden, warum er diesen Drahtseilakt ohne Netz machte. Und du kümmere dich um deine Gäste. Für dich gibt’s hier nichts zu tun.«
Ich checkte meine E-Mails, um zu sehen, ob Clem auf meine Nachricht geantwortet hatte. Noch keine Antwort von ihm. Ich fragte mich, von welchem Gewölbe er sprach und wessen Grabstätte er einen Besuch abgestattet hatte. Drei Leute hatten harmlose Antworten geschickt und wunderten sich, welche Verbindung ich zu Katrina hatte und warum sie seit Monaten nichts von ihr gehört hatten. Ich beschloss, die nächsten vierundzwanzig Stunden keine weiteren Einzelheiten preiszugeben. Ich wollte nicht riskieren, dass einer von ihnen auch mit Clem korrespondierte und ihm von Katrinas Tod berichtete, bevor ich Gelegenheit hatte, ihn zu fragen, was es mit dem Museumsgewölbe auf sich hatte.
Jetzt war ich rastlos und es tat mir fast Leid, die Stadt verlassen zu haben. Ich ging von der Veranda hinunter zu Val. »Kann ich dich von diesem Ausblick losreißen? Ich kann dir die Insel zeigen, während Nina ihren Schlaf nachholt.«
Wir fuhren Richtung Süden und ließen die Schafweiden und das sanft hügelige Farmland Chilmarks hinter uns. Fast drei Stunden lang fuhren wir kreuz und quer über die zweiundzwanzig Meilen lange Insel, besahen uns die Städtchen und hielten immer wieder am Straßenrand an, damit Val Landschaftsaufnahmen machen konnte, die
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