Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
Vom Netzwerk:
Wangenknochen und in Nasenhöhlen.
    Parler nickte bewundernd: »Ein schönes Stück. Und es ist tatsächlich der Schädel von Sankt Veit? Ihr müsst wissen, der König verehrt den Heiligen sehr.«
    »Natürlich. Die Herkunft der Reliquie ist mit einer Urkunde belegt. Und glaubt mir, diese ist echt.«
    »Habt ihr sie bei Euch?«
    »Selbstverständlich.« Der Böhme langte unter seinen Umhang und zog ein Pergament hervor. Er entrollte es und reichte es dem Dombaumeister.
    Parler studierte das Papier eingehend, dann deutete er auf das Siegel: »Befand sich nicht dasselbe Siegel unter dem Dokument, das angeblich die Echtheit der sieben Jungfrauenreliquien bekundete?«
    »Das stimmt«, bestätigte der Böhme. »Nur, dass es sich dabei offensichtlich um eine täuschend echte Fälschung handelte.« Der Böhme schob die Brust vor und tippte auf das Wachs. »Die Rose, die sich um den Stab windet, ist das Zeichen einer der größten Reliquienwerkstätten des Christenlandes. Leider gibt es aber immer wieder Betrüger, die das Signum kopieren und damit gefälschte Dokumente zeichnen. Wohingegen dieses Siegel hier echt ist, dafür verbürge ich mich mit meiner Ehre.«
    Parler ließ die Frage nach dem Wert dieser Ehre unkommentiert. Stattdessen behielt er sein gewinnendes Lächeln bei und erklärte: »Ich bin mir sicher, dem König wird Euer Angebot gefallen. Ganz im Vertrauen, er plant sogar, den Dom nach dem heiligen Veit zu benennen. Allerdings wird er wohl nicht in der Lage sein, die Herren noch heute zu empfangen. Bald findet eine heilige Messe zu Ehren der fremden Gäste statt.«
    Der Böhme blickte sich ratlos auf der Baustelle um. »Eine heilige Messe? Wo denn?«
    »Im Ostchor. Der ist zwar erst zur Hälfte fertiggestellt, doch mit behelfsmäßigem Mauerwerk und einer eingezogenen Holzdecke steht ein Altarraum zur Verfügung, den unser Erzbischof Ernst von Pardubitz erst kürzlich geweiht hat.« Parler strich über seinen Bart, er schien über eine Sache nachzudenken, bevor er weitersprach: »Befand sich in Eurer Begleitung nicht eine Kölner Nonne?«
    »Doch.« Wieder sprudelten die Worte aus dem Mund des Böhmen nur so heraus. »Schwester Hildegart von den Kölner Klarissen, dem Konvent zu Ehren der heiligen Klara von Assisi.«
    »Ist sie nicht mehr in Eurer Begleitung?«
    »Sie fühlte sich unpässlich und bat uns deshalb, den Gang zu Euch allein zu tun.«
    »Hm«, machte Parler. »Ich war der Meinung, sie sei eine Botschafterin Kölns und damit Beauftragte des Kölner Erzbischofs, dem böhmischen König die Gebeine der heiligen Jungfrauen zu übergeben.«
    »Aber nein. Wisst Ihr, das Leben hält so manchen Zufall bereit. Die Nonne gehörte zu einem Pilgerzug ins Heilige Land, der sich kurz vor Prag auflöste. Es gab Streit, weil derjenige, der die Reise leitete und mit seinen Soldaten schützen sollte, plötzlich mehr Geld verlangte. Die Gruppe zerstreute sich, und weil wir des Weges kamen, nahmen wir uns der Schwester an. Ihr wisst, wie es ist, eine Frau allein auf dieser Welt ist keine gute Sache.«
    Der Böhme zeigte seine schiefen Zähne. Wenn er log, so log er gut, befand Parler. Entweder war die Geschichte wahr, oder der Böhme war ein Meister der Improvisation.
    »Ich bitte Euch, sprecht morgen noch einmal vor«, entschied der Dombaumeister. »Ich werde dem König Bericht erstatten.«
    Der Böhme verbeugte sich tief: »Habt vielen Dank, edler Herr, und sagt – wir sind gottesfürchtige Leute und würden diese Messe gerne besuchen.«
    Parler schüttelte den Kopf. »Das ist leider nicht möglich. Die Messe ist nur für die hohen Herren. Überhaupt ist der Zutritt zum Dom im Augenblick dem gewöhnlichen Volk nicht erlaubt. Nur Geistliche und Handwerker dürfen hinein.«

40
    Heilige Messe
    F aliero hatte schon immer wenig auf Pfaffengeschwätz gegeben, das seiner Meinung nach aus nichts weiter bestand als immer wiederkehrenden Formeln, so nichtssagend und austauschbar wie das Marktgeschrei eines Fischweibs. Andererseits sollte man den Nutzen der Pfaffen nicht unterschätzen – wer sonst hielt das Volk so gut mit Androhung von Höllenstrafen und ewiger Verdammnis im Zaum – kein weltlicher Richter, kein Despot konnte die Furcht der dummen Masse besser schüren und sie dadurch bändigen als die Kirche.
    Für Faliero gab es zwei Sorten von Geistlichen: Die einen versteckten sich aus Furcht vor ihrem zornigen Gott hinter Psaltern, Altären und Selbstgeißelung, für die anderen war das Chorgewand nur Deckmantel für

Weitere Kostenlose Bücher