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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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eingeladen hatte. Der Architekt und Bildhauer war einer der Ersten gewesen, den der Doge für seine Verschwörung gewonnen hatte. Dies verwunderte nicht, handelte es sich bei Faliero doch um den größten Förderer Calendarios, nicht nur in Bezug auf dessen Bauaufträge. Faliero war es zu verdanken, dass er einige Jahre zuvor nicht wegen Vertragsbruchs im Gefängnis landete, sondern mit einer Geldstrafe davonkam. Der
proto
war nicht nur Venedigs berühmtester Architekt, er besaß zudem Frachtschiffe für seinen blühenden Handel mit Steinen aus Istrien, was in seinem Beruf natürlich nicht von Nachteil war. Mit seinen Steinen war die Lidomole gebaut worden, an der er somit doppelt verdient hatte – durch die Pläne und das Baumaterial. Faliero hatte ihm ebenfalls den Auftrag für die Erneuerung der Süd- und Westfassade des Dogenpalasts verschafft.
    Aluicha tat so, als interessiere sie das Gespräch zwischen den beiden Männern, die am Fenster Platz genommen hatten, nicht. Doch unauffällig spitzte sie die Ohren. Allerdings war Falieros sonorer Bass auch kaum zu überhören. Seine Verliebtheit in die eigene, beeindruckend wohlklingende Stimme war ihr schon beim allerersten Treffen mit ihm aufgefallen. Er hörte sich gern reden, auch jetzt, wo er doch so tat, als wären seine Worte ausschließlich für Calendario bestimmt.
    »Heute Nacht haben sich Dinge ereignet«, redete er eindringlich auf den
proto
ein, »die für unsere Sache überaus förderlich sind und die sich nicht besser hätten ergeben können.«
    Wenn du dich da nur nicht täuschst, dachte Aluicha mit einem grimmigen Lächeln, das sie sorgfältig in ihrem Inneren verbarg.
    Calendario beugte sich interessiert vor. »Könnt Ihr darüber reden?«
    Faliero legte den Zeigefinger auf seine Lippen. »Zu Euch, ja. Doch ich bitte Euch, darüber zunächst noch Stillschweigen zu wahren.«
    »Ich werde schweigen wie ein Grab.«
    Aluicha biss sich auf die Lippen, damit sie bei diesem Vergleich nicht laut loslachte.
    »Ratet«, fuhr Faliero fort, »wer uns heute Nacht ins Netz ging.«
    Calendario runzelte die Stirn. »Wer?«
    »Passt auf. Jetzt kommt das größte Geheimnis. Offiziell heißt es bisher, zwei böhmische Halsabschneider hätten das Provisorium der Domapsis in Prag in Brand gesteckt, um Pietro Dandolo aus der Messe zu locken, damit sie ihn in Ruhe abstechen konnten.«
    »War es nicht so?«
    »Nein. Es war ein politischer Mord. Der Täter handelte im Auftrag Edwards von England. Er ist uns schon lange bekannt und wird nur
der Engländer
genannt. Weiß der Teufel, warum er nach Venedig kam, doch er war so dumm, es zu tun. Vielleicht wollte er das Arsenal ausspionieren, jedenfalls haben wir ihn dort erwischt.«
    Nicht nur der Teufel weiß es, dachte Aluicha. Er wollte dich an das Versprechen erinnern, das du ihm auf der Hradschin gabst.
    »Darf man erfahren, woher Eure Informationen stammen?«
    Faliero zuckte mit der Schulter. »Die üblichen Quellen, Ihr wisst schon. Aber es kommt noch besser. Der Engländer hatte Komplizen. Schließlich konnte er nicht alles allein bewerkstelligen – den Dom anzünden und gleichzeitig den Dogen erstechen. Seine beiden Helfershelfer, ein Bursche und eine junge Frau, sind Gauner, die mit falschen Reliquien handeln. Sie kamen in die Stadt, um einen Mantel zu verkaufen, der angeblich vom heiligen Markus getragen wurde.«
    »Die Reliquie ist nicht echt?«, wunderte sich Calendario. »Sollte sie nicht heute in einer feierlichen Messe präsentiert und gesegnet werden? Wie seid Ihr dahintergekommen?«
    Faliero grinste selbstgefällig. »Indem ich die Betrügerin hofierte. Ich tat so, als sei ich von ihrer Schönheit so sehr angetan, dass ich sie sogar zu meiner Konkubine ernennen wollte – sehr zum Ärger meiner Gemahlin.« Er beugte sich leicht in Aluichas Richtung: »Ich muss dich noch einmal dafür um Verzeihung bitten, Liebling, doch es musste sein. Indem ich sie umgarnte und mit geschickten Fragen konnte ich alles aufdecken, ohne dass sie selbst es merkte. So konnte ich auch erfahren, dass die beiden an dem Dogenmord beteiligt waren. Natürlich ergab sich kein direktes Geständnis, aber zwischen den Zeilen ist klar zu lesen, wie der Betrug und das Verbrechen geplant und ausgeführt wurden.«
    Faliero bemerkte nicht, wie Aluicha plötzlich totenbleich wurde. Er sah nur, dass sie mit weit geöffneten Augen nickte, und las dies als Zeichen ihrer Erleichterung darüber, dass er alles nur um einer guten Sache willen getan hatte.

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