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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Wichtigkeit du an unser aller Anwesenheit erkennen kannst. Es geht um die Grundsätze Venedigs.« Mit einer ausladenden Geste wies er auf den Rest der Gesellschaft: »Hier der Rat der Zehn, die
dieci,
gegenüber die
signoria.
. Der Sitz des Dogen bleibt leer, warum, wirst du bald erfahren. Am wichtigsten ist es, dass du immer die reine Wahrheit sagst. Entsteht der Verdacht, dass du lügst, würde dies bedeuten, dass wir dich einer peinlichen Befragung unterziehen müssen.«
    Der Mann neben ihm dozierte mit müdem Blick und hängenden Lidern: »Der Folterraum, ein Tempel der Wahrheit in dieser Stadt der Lügen.«
    »Hast du das verstanden?«, fragte der Erste.
    Ich nickte.
    »Dann sag es laut und deutlich.«
    »Ich habe verstanden.« Verzweifelt versuchte ich nachzudenken. Doch in meinem Kopf sah es aus wie nach dem Tanz in Icolmkill in Donnans Sarg. Waren hier sechzehn Adelige versammelt, um mich wegen einer Reliquie zu befragen? Gleich würde ich zugeben, dass ich selbst Zweifel an der Echtheit dieses Mantels hegte. Genügten diese Zweifel schon für ein Todesurteil? Hans fiel mir ein, Hans von und zu Aposteln – er, als Fachmann aller juristischen Fragen, hätte die Antwort gewusst. Doch Hans war auf dem Schafott gestorben. Wie andere, die meinen Weg gekreuzt hatten …
    Nein. Der Mantel des San Marco war wohl nicht wichtig genug, damit die bedeutendsten Männer Venedigs ihre scharlachroten Togen anlegten, um mich ins Verhör zu nehmen. Mein Vater war der Grund. Der Mord an ihrem alten Dogen. Ein Teil von mir spürte die Panik, das nackte, alles andere auslöschende Gefühl der Angst. Es fühlte sich an wie brodelndes Wasser, das vom Mittelpunkt des Körpers aus alles andere bis in die Fingerspitzen hinein wie Feuer überflutet. Der andere Teil setzte sich zusammen aus einer seltsam vernünftigen Ruhe. Und meinem Stolz. Diese sechzehn Männer hatten die Macht, alles mit mir zu tun. Natürlich hatte ich schreckliche Angst. Ich wollte ihnen nicht die Stirn bieten, denn ich wusste, das würde die Männer noch mehr reizen – doch vor ihnen zitternd vor Angst um Gnade betteln wollte ich auch nicht.
    »Darf ich etwas fragen?«
    »Nein. Du gibst die Antworten. Die Fragen stellen wir.«
    Ich sah ihn flehentlich, doch mit erhobenem Kinn an. »Ich will nur wissen, ob sie am Leben sind.«
    Sie steckten flüsternd die Köpfe zusammen. Was berieten sie? Wie viel von der Wahrheit sie preisgeben sollten? Dass William und mein Vater tot waren? Oder durch die Folter zu Krüppeln gemacht? Ein dritter Mann sprach nun. Er war so unglaublich dick, dass seine Toga wie ein blutroter Hügel wirkte. Er blickte geradeaus ins Leere, und ich sah nur sein Profil. Die rosige Backe glänzte, als hätte er die Finger nach einem fetten Mahl daran abgewischt.
    »Du meinst die beiden Engländer?«
    »William und mein Vater. Sind sie tot?«
    »Wir sind keine Mörderbande«, erwiderte der mit den Olivenaugen. »Alles hat seine Ordnung und dient nur der Wahrheitsfindung. Es geht um Mord und Verschwörung. Du darfst wissen, dass sie leben. Jetzt sag uns, wer du bist.«
    »Cailun.«
    »Und weiter?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Sechzehn Männer in blutroten Kleidern starrten mich an. Ich kämpfte die Tränen nieder. »Meine Mutter ist tot. Mein Vater saß mit mir in einer Zelle.­«
    »Ist das die Wahrheit?«
    Welche Wahrheit meinte er? Dass ich mit meinem Vater eingekerkert war, sollte er wissen. Sprach er also vom Schicksal meiner Mutter? »Sie starb bei meiner Geburt.«
    »Ich spreche von dem Engländer. Ist er wirklich dein Vater?«
    »Ja«, sagte ich. Meine Stimme zitterte. Das sollte sie nicht – ich sollte ruhig und überzeugend klingen, denn wenn sie an meinen Worten zweifelten, würden sie mich foltern lassen. Ich atmete einmal ein und einmal aus und bestätigte: »Er ist mein Vater.«
    Die Männer wechselten bedeutungsvolle Blicke. Als ich den Kopf nun doch senkte, um nicht überheblich zu wirken, sah ich, dass unter dem Rock meine Knie zitterten. Der Dicke erhob sich und wandte sich mir zu. Ich erschrak. Nun sah ich die schlechte Seite seines Janusgesichts. Sie war entstellt, als hätte jemand mit einem Schwert mehrmals hineingehackt. Er setzte sich in Bewegung, aber er ging nicht, sondern wälzte sich auf mich zu. Als er vor mir zum Halten kam, schnaufte er schwer.
    »Du warst in Prag bei ihm, zusammen mit diesem …«, er schnippte fordernd mit den Fingern.
    »William. Er ist mein Gemahl.«
    »Du gibst es also

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