Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
Küchenmesser. Das Nächstliegende deckt uns, denken wir.
Bevor ich ihn in die Arme nehme, lecke ich das Blut ab, das wird am sichersten sein, die rückstandsneutralste Säuberungsart, organisches Material übersteht den menschlichen Verdauungstrakt nicht unverfälscht. Der Geschmack ist vertraut. Das Blut ist kein Fremdkörper, so wie es jetzt Teil von mir geworden ist, meinen innersten Verwertungsprozessen unterworfen, aufgenommen, was verwertet werden kann. Und wenn das Verwertbare seinen Endlagerplatz in meinen Körperzellen eingenommen haben wird, könnte er sagen (hätte sagen können, wenn es zu seinen Lebzeiten schon zugetroffen hätte, ich finde nicht die richtige Zeitform): du bist Fleisch von meinem Blut, auch wenn ein solcher Gedanke nicht zu Duncan passen würde, gepasst hätte, und ich lecke sorgfältig die Haut wie eine Katzenmutter, dann die Stoppeln, die krause Bauchbehaarung wird nachwachsen. Ich habe mein eigenes Blut geleckt vor den Augen des Haushofmeisters, das ist keine zehn Stunden her, und das erinnert mich daran, dass ich noch etwas zu tun habe, wir noch etwas zu tun haben, doch zuvor, zuvor spüre ich die nackte Erektion zwischen meinen Brüsten und blicke hoch, um Alexanders verzerrtes Gesicht zu sehen, scharf gezeichnet (und dramatisch überhöht) von der seitlichen Beleuchtung. Er wirft mich aufs Bett und bohrt den Daumen in meine Unterhose, ich reiße mir den Rest vom Leib, denn falls ich nicht alles erwischt habe, soll meine Kleidung keine Gelegenheit zur Entdeckung von kriminaltechnisch verwertbaren Spuren geben, soweit reicht meine Restvernunft noch, bevor ich ihn in mir spüre, bedürftig und wild. Er flüstert mir etwas ins Ohr, das ich nicht verstehe, dann verstehe ich es doch:
Love, sagt er.
Liebe, sagt er und der Abgrund unter uns ist so tief, dass Adrenalinschockwellen durch den Körper schießen, immer schneller aufeinander folgen, so dass ich mich frage, wie lange es dauert, bis die späteren die früheren einholen, überholen, bis sich nicht mehr sagen lässt, welche früher und welche später losgelassen wurde, sie sind ununterscheidbar (fast könnte man sagen: in Sachen Ursache und Wirkung), und dabei arbeiten wir uns aneinander ab, souverän und eingespielt machen unsere Geschlechtsorgane, was sie wollen. Wir warten auf diesen speziellen Überschallknall, den Schockwellenstau im Brustkorb, auf Lungenhöhe, wo die Luft knapp wird, und dabei erreicht das dicke Ende dieser Stoßwellenverdichtung die Schädeldecke, ein Schlag von innen, der erwarten lässt, dass das Knochendach nachgibt und aufplatzt, und dann denke ich noch, dass das ein würdiges Ende wäre. Ich muss lachen, und er hält kurz inne und sieht mich seltsam an, liebevoll, möchte ich sagen und ihm über die zitternden Lider streichen.
Es dauert keine fünf Minuten, und das ist gut so. Wir haben noch was anderes zu tun (die Zeitleiste im Kopf). So wenig Blut.
33
Und als es klappt, stehen wir vor einem noch größeren Rätsel. Wir stehen vor einem Rätsel, nicht ich: nie mehr allein. Wozu der Hass doch einen Menschen treiben könne, sagt er. Alexander, mein Mörder. Andere sagen, so hört man, dass sie sterben würden für eine Frau, er hat für mich gemordet, was ja ungleich zukunftsträchtiger ist. Hat er es für mich getan? Nicht ganz, doch eindeutig auch. (Es hat mich auch nicht ganz mit der Freude erfüllt, die ich erwartet habe, den alten Mann tot zu sehen. Friedlich, könnte man sagen, mit friedlich im Schlaf versunkenen Zügen, der Kopf zuversichtlich und vertrauensvoll zur Seite fallen gelassen, der alte faltige Hals ganz freundlich dargeboten. Hat gar nicht gekämpft: alles meine Einbildung, Vielleicht hat er sich auch bereitwillig töten lassen, Alexander ist schließlich versiert im richtigen Setzen von Schnitten. Wie kann er nicht kämpfen? Ein kampfloser Untergang macht mich zornig.)
Während Alexander wie besessen die Duschtasse reinigt, gehe ich meinen Aufgaben nach. Der Haushofmeister, durch den gutturalen Schrei alarmiert, den wohl ich ausgestoßen haben muss, steht vor der Schlafzimmertür und wird vorausgeschickt; er überwältigt Peter im Eingangsbereich des Gästetrakts, wo ich die Tür für ihn angelehnt gelassen habe, 2:30 a.m., in der stillsten Zeit der Nacht. Brav, nehme ich an, hat er den Dienstleistungsaufzug verwendet. Pflichtbewusst im Verborgenen, weil er dachte, dass das ihn selbst decken könnte und seine Absichten, und welche das waren, kann ich nur vermuten, hat nicht
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