Die Königin von Zamba
zu lassen, solange er bewaffnet ist; versteht Ihr das nicht?«
»Oh, ich passe schon auf, dass ich ihm nicht zu nahe komme.« Mit seinen beiden Wachhunden im Schlepptau mischte Hasselborg sich unauffällig unter die Zuschauer und sah dem Dasht eine Weile ruhig zu, bis plötzlich einige von ihnen seine Anwesenheit bemerkten. Sofort richteten sich alle Blicke auf ihn. Der Dasht, der ihn jetzt ebenfalls bemerkte, warf ihm einen verächtlichen Blick über die Schulter zu und konzentrierte sich wieder auf sein Ziel.
Hasselborg hatte das System rasch durchschaut: Der Duellant musste sich, die ungespannte Armbrust in der Hand, mit dem Rücken zum Ziel aufstellen. Auf ein Pfeifensignal hin musste er einen Pfeil aus dem Gürtel ziehen, die Waffe spannen, herumwirbeln und feuern. Der nächste Pfeil des Dasht traf den Pappkameraden in der Herzgegend (das heißt, in der krishnanischen Herzgegend, die etwas mehr in der Körpermitte lag als bei den Erdbewohnern) und vergrößerte die ohnehin schon beängstigende Anzahl von Löchern um ein weiteres. Jám war offensichtlich alles andere als ein Anfänger.
Hasselborg verfolgte jeden einzelnen Handgriff des Dasht genauestens; vielleicht konnte er ihm irgendwelche Tricks abgucken. Er erinnerte sich, dass er vor Jahren einmal während seines Studiums in Harvard, als er ein Seminar über veraltete Gesetze besuchte, einen Fall über einen Engländer gelesen hatte, der irgendwann ums Jahr 1817 herum nach einer Prozeßniederlage seinen Kontrahenten zu einer Prozeßentscheidung durch Waffen herausgefordert hatte. Am festgesetzten Tag erschien er, mit Lanze und Schwert bewaffnet, vor den Schranken des Gerichts und behauptete, den Prozess gewonnen zu haben, weil die andere Partei nicht erschienen sei. Daraufhin stellten die Richter und Anwälte die ganze juristische Bibliothek auf den Kopf und fanden heraus, dass der Mann seinen Prozess tatsächlich gewonnen hatte, woraufhin in der darauf folgenden Parlamentssitzung die Entscheidung durch Zweikampf abgeschafft werden musste.
Nach ungefähr einer Stunde hörte der Dasht mit den Schießübungen auf und marschierte vom Platz, gefolgt von den Bewaffneten, die er aus Rosíd mitgebracht hatte. Ein Teil der Zuschauer blieb da und wartete darauf, Hasselborg bei seiner Vorstellung zuzuschauen.
Dieser indes hatte nicht die Absicht, sich vor versammeltem Publikum zu blamieren. Er ließ sich statt dessen faul auf einer Bank nieder und verwickelte seine Wachhunde in ein Gespräch über die technischen Aspekte des Armbrustschießens, wobei er, um seine völlige Unkenntnis nicht allzu offenkundig werden zu lassen, zu seinem inzwischen schon zur Gewohnheit gewordenen Standardspruch griff: »Wisst Ihr, wir machen das in Malayer alles ein bisschen anders, aber vielleicht könntet Ihr mir ein paar Tipps geben, wie man das hier so betreibt …«
Da der Unbestechliche, bei dem er sich am Vorabend vergeblich einzuschmeicheln versucht hatte, sich als ausgesprochener Enthusiast auf dem Gebiete des Armbrustschießens erwies, brauchte Hasselborg ihn bloß mit gelegentlichen Zwischenfragen zu füttern, um ihn am Sprudeln zu halten. Als die Zuschauer sahen, dass nichts passierte, trotteten sie davon.
»Ich mache jetzt mal ein paar Probeschüsse«, sagte Hasselborg, der inzwischen seine Armbrust wieder zurückerhalten hatte. »Vergesst nicht, dass man in meinem Land eine andere Art von Armbrust verwendet, wenn ich anfangs ein paar Fehlversuche mache.«
Und das tat er dann auch. Das Blöde an dem Ding war, dass es kein Visier hatte, aber vielleicht konnte man da ja Abhilfe schaffen.
»Wo kriege ich ein paar Nadeln her, ungefähr so lang und mit einem runden Kopf, etwa so?« fragte er, wobei er mit den Händen eine Nadel etwa von der Art und Größe einer Korsettnadel beschrieb.
»Solche Nadeln kann ich Euch beschaffen«, sagte der Enthusiast. »Meine Liebste ist nämlich Kammerzofe bei der Lady Mandai. Aber da ich Euch nicht aus den Augen lassen darf, dauert das natürlich eine Weile …«
Eine halbe Stunde später hatte Hasselborg seine Nadeln. Eine davon drückte er fest in den hölzernen Schaft der Armbrust, ganz am vorderen Ende, direkt neben die Pfeilnut, und die andere in die entsprechende Stelle am hinteren Ende der Waffe. Dann machte er ein paar weitere Schußversuche, wobei er die Stellung der Nadeln so lange veränderte, bis er schließlich aus der Wettkampfdistanz das Ziel sauber treffen konnte.
»Bei allen Göttern!« schwärmte der Enthusiast.
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