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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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an Bertrada. Sie war dem Bischof als ›Flora von Ungarn‹ vorgestellt worden, doch Karlmann hatte ihm vorher verraten, daß es sich offensichtlich um eine Dame aus edler Familie handelte, die unerkannt bleiben wollte. Derlei Damen kannte Bonifatius zuhauf. Die meisten Pilgerinnen aus seinem angelsächsischen Heimatland, die inkognito nach Rom reisen wollten, um dort eine Vergebung ihrer Sünden zu erlangen, kamen aus den allerbesten Familien, und mit vielen von ihnen wechselte er Briefe. Auf seine Frage erwiderte Bertrada höflich, daß sie nicht auf dem Weg nach Rom sei, sondern hoffe, bei Frau Berta ein Auskommen zu finden. Sie sagte dankbar zu, als der Bischof sie fragte, ob sie nach der Mahlzeit mit ihm in der Kapelle beten wolle.
    In späteren Jahren fragte sich Bonifatius öfter, was ihn damals zu dieser Einladung bewogen haben mochte. Er hatte schließlich nicht ahnen können, daß diese junge Frau später auf sein Leben und sein Wirken solch entscheidenden Einfluß haben sollte. Oder vielleicht doch? Hatte es Gott ihm eingegeben, dem heimatlosen Geschöpf seine besondere Aufmerksamkeit zu schenken? Oder lag es daran, daß sie ihn mit ähnlichen Augen angesehen hatte wie seine geliebte Cousine Lioba und er, der seit so vielen Jahrzehnten durch die Lande Germaniens zog, sich für ein paar Stunden eine Art Heimatgefühl gönnen wollte? Oder hatte ihn Karlmanns offenkundiges und überraschendes Interesse angeregt, sich mit ›Flora‹ zu beschäftigen? Schließlich war es durchaus möglich, daß der junge Hausmeier eine neue Vermählung erwog. Die Wege des Herrn waren unergründlich. Ohne jene Einladung zum gemeinsamen Gebet jedenfalls hätte die gesamte Geschichte des Fränkischen Reichs womöglich eine völlig andere Wendung genommen.
    Bertrada faßte Vertrauen zu dem Gottesmann, der so viel von der Welt wußte, so weit herumgekommen war und so leidenschaftlich von seiner Mission zu berichten verstand. Im Anschluß an das Gebet führten sie ein langes Gespräch. Er zeigte sich angetan von Bertradas Kenntnissen in Glaubensfragen, erzählte ihr Geschichten von seinen Reisen und verriet, daß er dem König von Kent vor kurzem einen Habicht und zwei Falken übersandt hatte. »Sie waren mir vom Abt eines fränkischen Klosters übergeben worden«, erklärte er. Bertrada erinnerte sich daran, daß ihr Vater dem Abt des Klosters von Laon vergeblich eine hohe Summe für einen besonders edlen Falken geboten hatte, und fragte, wie Bonifatius das Kloster dazu gebracht hatte, sich gleich von drei solcher kostbaren Tieren zu trennen.
    »Weil es demnächst keine Jagdvögel mehr in den Klöstern geben wird«, verriet Bonifatius. »Auch dieser Abt war davon überzeugt, daß sich die fränkische Kirche in absehbarer Zeit der römischen anschließen wird, und dort ist allen Dienern Gottes das Jagen in den Wäldern und das Halten von Habichten und Falken untersagt.« Zum ersten Mal zeigte sich in den Mundwinkeln des sonst stets so gestrengen Gesichts ein kleines Schmunzeln. »Der König von Kent hat sich so sehr über die Gabe gefreut, daß er mir ebenfalls Geschenke geschickt hat«, fuhr der Erzbischof fort, »doch es wird mich sehr erleichtern, eines davon an den Abt jenes Klosters weiterzureichen.«
    »Was war es denn?« erkundigte sich Bertrada.
    Jetzt lachte Bonifatius laut. »Ein Trinkbecher, aber aus Silber und Gold und so schwer, daß ich ihn schon leer nur mit Mühe zum Mund heben kann. Die beiden Pelze, die der König dazulegen ließ, werden mir allerdings im Winter großartige Dienste leisten.«
    »Wahrlich königliche Geschenke«, sagte Bertrada und fragte den Erzbischof, was er denn davon halte, daß es keinen König mehr im Frankenland gäbe. Seine Stirn umwölkte sich.
    »Jedes Land braucht einen König«, entgegnete er, »auch dieses.«
    Bertrada war dankbar, daß er nicht fragte, ob sie selbst denn aus einem Land mit einem König stamme, und daß er auch sonst keine Frage über ihre Herkunft an sie richtete. Sie erwog sogar, sich ihm anzuvertrauen, aber als sie an die Last dachte, die sie dem alten Mann damit aufbürden würde, und an die möglichen Folgen ihres Geständnisses, biß sie sich auf die Zunge. Immerhin begann an diesem Abend eine Freundschaft, die bis zum Märtyrertod des Bonifatius viele Jahre später halten sollte.
    Als Frau Berta am nächsten Morgen mit ihrem Gefolge nach Mürlenbach aufbrach, kam Karlmann auf sie zugeritten und erkundigte sich höflich, ob er und seine Männer dem kleinen Zug

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