Die Kolonie
ist so entscheidend, wie man Essen anrichtet.« Und dann ist sie weg.
»Hier«, sagt der Killerkoch, »kann mal jemand diesen Scheiß festhalten.« Und schiebt mit den Ellbogen die steifen Röcke beiseite, die immer wieder dahin zurückdrängen, wo er zu arbeiten hat.
Graf Schandmaul stellt sich in Höhe der Taille breitbeinig über die Leiche, Blick auf die Füße. Die Beine verschwinden in weißen Strümpfen, die bis zur Mitte der dünnen, mit Äderchen bedeckten Waden hochgezogen sind; die Füße stecken in roten Stöckelschuhen. Graf Schandmaul geht in die Hocke, umfasst die Röcke mit beiden Armen und hält sie fest. Dann lässt er sich seufzend auf Genossin Snarkys toten Schulterblättern nieder. Seine Knie zeigen zur Decke, seine Arme versinken im Gewühl ihrer bauschigen Röcke. Aus seiner Hemdtasche ragt das winzige Mikrofon des Diktiergeräts. Rot glimmt das Aufnahmelämpchen.
Und der Killerkoch spannt mit den gespreizten Fingern einer Hand die Haut einer Hinterbacke. Und setzt mit der anderen Hand das Messer an. Und zieht damit einen geraden Strich über Genossin Snarkys blauweißen Arsch, eine Linie, die immer dicker und kräftiger wird. Er führt das Messer parallel zu ihrer Arschspalte. Eine schwarze Linie auf der blauweißen Haut, schwarzrot, bis es rot auf die Röcke unter ihr zu fließen beginnt. Rot an der Klinge des Ausbeinmessers. Und das Rot dampft. Auch seine roten Hände dampfen, und er sagt: »Kann ein Toter noch so stark bluten?«
Niemand antwortet.
Eins, zwei, drei, vier, irgendwo anders flüstert Sankt Prolaps: »Hilfe!«
Der Killerkoch sägt mit der kleinen Klinge in dem roten Matsch herum, sein Ellbogen geht auf und nieder. Die ursprünglich gerade Linie ist in dem roten Gemetzel untergegangen. Dampf steigt auf in der kalten Luft, und der Blutgeruch von Tampons, dieser Damentoilettengeruch. Er hält inne und hebt mit einer Hand einen roten Fetzen hoch. Sieht aber selbst nicht hin. Sein Blick bleibt auf das rote Chaos im Zentrum der weißen, bauschigen Petticoats gerichtet. Diese große dampfende Blüte hier auf dem Teppich im Foyer des zweiten Rangs. Der Killerkoch schlenkert den roten Fetzen in seiner erhobenen Hand. Dunkelrot trieft und tröpfelt das Ding, dessen Anblick er nicht ertragen kann. Er sagt: »Kann mir das mal jemand abnehmen?«
Keine Hand streckt sich danach.
Ihr Rosentattoo auf dem Fetzen.
Und der Killerkoch schreit mit abgewandtem Blick: »Nehmt mir das ab!«
Märchensatin und Brokatröcke rascheln auf, und Baronin Frostbeule ist wieder unter uns. Sie sagt: »O mein Gott...«
Ein Pappteller schwebt unter dem triefenden roten Fetzen, und der Killerkoch lässt den Fetzen darauffallen. Auf dem Teller sieht es aus wie Fleisch. Ein dünnes Steak. Ein Schnitzel. Ein Streifen Fleisch für eine schmale Roulade.
Und der Killerkoch macht sich wieder ans Sägen. Einen triefenden Fetzen nach dem anderen hebt er aus dem dampfenden roten Zentrum dieser großen weißen Blüte. Die Schnitzel stapeln sich auf dem Pappteller, der in der Mitte schon durchhängt. Roter Saft schwappt über die Kante. Die Baronin geht noch einen Teller holen. Und auch diesen füllt der Killerkoch.
Graf Schandmaul, der immer noch auf dem Rücken der Leiche sitzt, verlagert sein Gewicht und wendet den Blick von dem dampfenden Chaos ab. Das riecht anders als das kalte, saubere Fleisch im Supermarkt. So riechen Tiere, die sich, von einem Auto überfahren, auf ihren zerquetschten Hinterbeinen von einer sommerheißen Straße schleppen und eine Schleimspur aus Blut und Scheiße hinter sich herziehen. So riechen Neugeborene.
Dann gibt die Leiche, Genossin Snarky, ein leises Stöhnen von sich. Wie man im Traum aufstöhnt.
Und der Killerkoch fällt mit triefenden Händen nach hinten. Das Messer bleibt im roten Zentrum der Blüte stecken - bis die losgelassenen Röcke sich langsam auf und über das Gemetzel senken. Die Baronin lässt den ersten mit Fleisch beladenen Teller fallen. Die Blüte schließt sich. Graf Schandmaul springt auf und von ihr weg. Wir alle weichen zurück. Starren. Horchen.
Es muss etwas passieren. Es muss etwas passieren.
Dann, eins, zwei, drei, vier, flüstert irgendwo anders Sankt Prolaps: »Hilfe!«
Das leise regelmäßige Nebelhorn seiner Stimme.
Von irgendwo anders her ruft Direktorin Dementi: »Huhu... Miez, Miez, Miez...« Die Worte langgedehnt und von Schluchzern unterbrochen. »Komm zu Mama... mein Baby...«
Der Killerkoch hält seine blutverschmierten Finger von sich
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