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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Ihnen für Geschichten erzählen könnte! Wie häufig mir Ihre Messer schon den Arsch gerettet haben. Wenn Sie mal acht Stunden lang Endivien zu Chiffonade verarbeiten, bekommen Sie vielleicht eine Vorstellung davon, wie es in meinem Leben aussieht.
    Und trotzdem passiert früher oder später garantiert Folgendes: Man tourniert den ganzen Tag Karotten, schnitzt jede einzelne zu einem perfekten kleinen Ball zurecht, und die eine, die man ein wenig verpfuscht hat, diese eine Karotte landet auf dem Teller eines verkrachten Kochs, eines Niemand, der bloß einen Volkshochschulabschluss für Krankenkostzubereitung hat und der sich jetzt einbildet, als Restaurantkritiker arbeiten zu können. Ein Idiot, der nicht mal richtig kauen und schlucken kann, und der schreibt in der nächsten Ausgabe seiner Zeitung, der Chefkoch im Chez Restaurant kann nicht mal richtig Karotten tournieren.
    Irgendeine blöde Kuh, die von keiner Großküche auch nur zum Pilzeputzen angestellt würde, schreibt in ihrem Artikel, meine Pastinaken batonnet sind zu dick.
    Diese Verräter. An Kleinigkeiten herumzunörgeln ist einfach, die Schwierigkeit besteht darin, tatsächlich eine Mahlzeit zuzubereiten.
    Ich darf Ihnen sagen, immer wenn bei uns jemand Kartoffeln dauphinoise oder einen Carpaccio bestellt, spricht ein Mitarbeiter unserer Küche ein kleines Dankgebet für die Messer von Schnitt-Fest. Ihre perfekte Balance. Den genieteten Griff.
    Natürlich würden wir alle gern - klopf, klopf auf Holz - mit weniger Arbeit mehr Geld verdienen. Aber zum Verräter werden, Kritiker werden, den Besserwisser spielen und primitiv auf Leuten herumhacken, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie Kalbszungen sauber machen ... Nierenfett wegschneiden ... Lebermembranen abziehen ... während diese Kritiker in ihren schönen sauberen Büros sitzen und mit schönen sauberen Fingern ihr Genörgel in den Computer tippen - das ist einfach nicht richtig.
    Gewiss, sie schreiben nur ihre Meinung. Aber da steht es dann: Direkt neben den richtigen Meldungen von Hungersnöten und Serienmördern und Erdbeben, in derselben Schrifttype steht da irgendein Genörgel über Nudeln, die nicht al dente waren. Als sei ihre Meinung auch bloß ein Fall von höherer Gewalt.
    Eine negative Bürgschaft. Das Gegenteil von Werbung.
    Ich sehe das so: Wer was kann, tut es. Wer nichts kann, meckert.
    Das ist kein Journalismus. Nicht objektiv. Das ist keine Berichterstattung, sondern bloß Nörgelei.
    Diese Kritiker könnten ums Verrecken keine anständige Mahlzeit zubereiten.
    Und deshalb habe ich mein Projekt geplant.
    Egal wie gut man ist, Küchenarbeit ist ein langsamer Tod durch Millionen winzige Schnitte. Tausende kleine Verbrennungen. Verbrühungen. Den ganzen Abend auf Beton stehen und sich auf fettigen oder feuchten Böden bewegen. Sehnenscheidenentzündung und Nervenschäden vom ewigen Rühren und Hacken und Löffeln. Ozeane von Shrimps unter Eiswasser pulen. Schmerzen in Knien und Krampfadern. Verschleiß der Hand- und Schultergelenke durch repetitive Bewegungen. Täglich perfekte calamares rellenos zubereiten müssen bedeutet ein lebenslanges Martyrium. Täglich das perfekte ossobuco alla milanese zubereiten müssen bedeutet einen langsamen, langwierigen Tod durch Folter.
    Und man kann noch so dickfellig sein, aber von irgendeinem Zeitungs- oder Internetschreiber in aller Öffendichkeit in Stücke gerissen zu werden macht die Sache nicht besser.
    Und diese Online-Kritiker gibt es wie Sand am Meer. Dazu braucht man nur ein großes Maul und einen Computer.
    Und damit war meine Zielgruppe definiert. Ein Segen, dass die einzelnen Polizeireviere so schlecht zusammenarbeiten. Sonst wäre ihnen vielleicht was aufgefallen: ein freiberuflicher Journalist in Seattle, ein Nachwuchskritiker in Miami, ein Tourist aus dem mittleren Westen, der auf irgendeiner Reiseseite im Web seine Meinung veröffentlicht ... Meine bis jetzt sechzehn Opfer haben alle etwas gemeinsam. Ganz abgesehen von meinem in langen Jahren herangereiften Motiv.
    Es ist kein großer Unterschied, ob man ein Kaninchen entbeint oder einen Kritikaster, der auf seiner Website behauptet, man hätte in eine costatine alfinocchio ruhig etwas mehr Marsala tun können.
    Zum Glück gibt es die Schnitt-Fest-Messer. Mit Ihren geschmiedeten Tournier-Messern geht beides wie geschmiert und ohne dass einem die Hand ermüdet, wie es geschieht, wenn man ein weniger kostspieliges, gestanztes Schälmesser benutzt.
    Es ist ebenfalls kein

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