Die Kolonie
Sache beenden kann.
Bevor ich Mr. Lewis Lee Orleans getötet habe, mag ich nicht erwerbsunfähig gewesen sein; danach war ich es bestimmt. Einen Menschen zu töten ist harte Arbeit. Harte, schmutzige Arbeit. Harte, schmutzige, geräuschvolle Arbeit, auch wenn sein Gebrüll so sinnlos war wie das einer Kuh im Schlachthof.
Ich denke mir, wenn ich den vorwitzigen Detektiv nicht getötet hätte, dann hätte ihn die lange kalte Nacht getötet. Die Viehbremsen und der Schock von seinem gebrochenen Bein. Tot ist tot, und auf diese Weise hatte keiner von uns zu leiden. Jedenfalls nicht sehr.
Man ist mir zwar nie auf die Schliche gekommen, aber dieser Mord hat mir die Lust am Leben als Krüppel gründlich verdorben. Denn jetzt wusste ich ja, dass ich beobachtet wurde; ich hatte den Computerausdruck gesehen, und irgendeines Tages würde der nächste Detektiv auftauchen und mir nachspionieren.
Und wenn man sie nicht besiegen kann, wird man am besten einer von ihnen.
Als im Fernsehen mal wieder für eine Fernschule geworben wurde, rief ich da an. Die bringen einem bei, wie man einen Verdächtigen einkreist. Wie man in Mülltonnen nach Beweismaterial sucht. Nach sechs Wochen bekam ich ein Dokument, das mich als Privatermittler auswies. Von da an hatte ich meinen eigenen Computerausdruck mit den Namen von Sozialbetrügern, denen ich nachspionieren konnte. Jetzt war ich an der Reihe, die anderen Schnorrer zu verpfeifen.
Man braucht einfach nur seine Krüppelkollegen zu denunzieren. In den meisten Fällen muss man nicht mal selbst vor Gericht erscheinen. Man reicht bloß die Spesenabrechnung ein, für Motel, Mietwagen, Mahlzeiten im Restaurant, und der Scheck kommt mit der Post. Plus Provision.
Und damit sind wir in der Gegenwart. Seit fünf Tagen beschatte ich Sarah Broome, bisher vergeblich. Wenn man einen Verdächtigen bei irgendetwas ertappen und filmen will, ist man praktisch mit ihm verheiratet. Mit ihr. Zur Post, Briefe abholen. Zur Bücherei, ein Buch ausleihen. Zum Supermarkt. Auch wenn sie den ganzen Tag bei geschlossenen Vorhängen in ihrem Wohnwagen vor dem Fernseher sitzt, liege ich auf der Lauer, das Mietauto außer Sichtweite an der Schotterpiste geparkt, strecke ich mich tief geduckt auf dem Fahrersitz aus und spähe mit einem Auge hinaus. Auch wenn rein gar nichts geschieht. Genau wie in der Ehe.
Den ganzen Nachmittag habe ich mich im Gebüsch versteckt, auf dem Hügel hinter ihrem Wohnwagen gehockt und Moskitos totgeschlagen. Sie im Sucher meiner Videokamera beobachtet, auf meine Chance gewartet, den RECORD -Knopf zu drücken. Sarah hätte sich nur mal bücken und eine Propangasflasche hochheben müssen. Ein paar Minuten auf Video, wie sie schwere Säcke mit Katzennitter aus dem Kofferraum ihres Wagens holt, und die Sache wäre erledigt. Dann hätte ich bloß noch das Mietauto abgeben müssen und hätte den nächsten Flug nach Hause genommen.
In ihrem Schuppen sitze ich jetzt natürlich, weil ich gestolpert und hingefallen bin. Als sie mich fand, war es schon dunkel, und die Moskitos setzten mir schlimmer zu, als selbst Sarah Broome mir jemals würde zusetzen können, schlimmer als Schüsse und Messerstiche. Ich musste um Hilfe schreien, und sie legte mir einen Arm um die Hüfte und trug mich praktisch bis hierher. Legte mich hier ab. Ich solle mich mal kurz ausruhen, sagte sie.
Ich bin nicht sonderlich originell, zugegeben. Ich beobachte Vögel, erzähle ich ihr. Die Gegend hier ist berühmt für den Rothaubenregenpfeifer. In dieser Jahreszeit hält sich hier der Blauhalsfasan zur Paarung auf.
Sie hat mir die Videokamera abgenommen, fummelt an dem kleinen ausklappbaren Bildschirm herum und sagt: »Oh, das würde ich gern mal sehen.« Die Kamera beginnt zu surren, klickt, und das rote PLAY-Lämpchen leuchtet auf. Mit bekifftem Grinsen starrt sie auf den Monitor.
Ich sage: Nein. Ich greife nach der Kamera, aber zu hastig. Ich sage: Nein. Zu laut.
Und Sarah Broome tritt einen Schritt zurück, winkelt die Arme an und hält die Kamera aus meiner Reichweite. Der Widerschein des kleinen Bildschirms flackert auf ihrem Gesicht wie Kerzenlicht, als sie sich lächelnd ansieht, was ich aufgenommen habe.
Allmählich entspannt sich ihre Miene, aus ihrem Lächeln werden Hängebacken.
Die Aufnahmen zeigen, wie sie Düngersäcke schleppt, glitschige weiße Säcke mit Stallmist. Und auf jedem Sack steht schwarz auf weiß: Nettogewicht 50 Pfund.
Während sie weiter auf den kleinen Bildschirm starrt, ziehen sich ihre
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