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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Silber,
    klimperndes Glockenspiel
    an ihrem Handgelenk.
    Sie sagt: »Kein Mensch hat vier Ausweise mit Foto ... «
    Wer Nonne werden will, sagt sie, muss einen schriftlichen Test absolvieren,
    schlimmer als ein Eignungstest zum Studium. Und jede Menge
    Textaufgaben, zum Beispiel:
    »Wie viele Engel können auf der Spitze einer Nadel tanzen?«
    Und nur, sagt Mutter Natur, um herauszufinden:
    »Ob man Jesus heiratet, weil man keinen anderen abgekriegt hat.«
    Die langen Haare aus dem Gesicht gekämmt, zu Zöpfen geflochten
    auf ihrem Rücken.
    Mutter Natur sagt:
    »Natürlich bin ich durchgefallen. Nicht bloß bei dem Drogentest -
    sondern überall.«
    Nicht nur als Nonne, sondern auch sonst in ihrem Leben ...
    Sie hebt die Schultern, die Sommersprossen auf der Haut unter den gebatikten Trägern.
    »Und da bin ich also.«

    Die Sternbilder wandern über ihr Gesicht.
    Mutter Natur sagt:
    »Ich war noch immer auf der Suche nach einem Versteck.«

Füße
Eine Erzählung von Mutter Natur
    Lach nicht, aber bei der Aromatherapie weisen sie dich darauf hin, dass du niemals eine Zitronen-Zimt-Kerze und gleichzeitig eine Nelkenkerze und eine Zeder-Muskat-Kerze anzünden darfst. Warum, sagen sie aber nicht ...
    Beim Feng Shui - warum, verraten sie nicht - aber, wenn du ein Bett an den falschen Platz stellst, kannst du genug Chi darauf konzentrieren, dass ein Mensch, der darin schläft, stirbt. Mit Akupunktur kannst du eine fortgeschrittene Schwangerschaft abbrechen. Mit Kristallen oder Aura kannst du Leuten Hautkrebs machen.
    Lach nicht, aber auf die eine oder andere Weise kannst du jede beliebige New-Age-Praktik in ein Mordwerkzeug umwandeln.
    Bei der Ausbildung zum Masseur, da erzählen sie dir in der letzten Woche, du darfst niemals die diagonale Reflexzone an der Ferse bearbeiten. Am linken Fuß niemals die Wölbung des Rückens anrühren. Und schon gar nicht die äußerste linke Seite. Aber warum, das sagen sie dir nicht. Das ist der Unterschied zwischen aufgeklärten Therapeuten und solchen, die im Schattenreich dieser Branchen arbeiten.
    Du machst einen Kurs in Reflexologie. Das ist die Wissenschaft von den Fußzonen und wie man sie bearbeitet, um bestimmte Regionen des Körpers zu heilen oder zu stimulieren. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Körper in zehn verschiedene Energiemeridiane aufgeteilt ist. Der große Zeh zum Beispiel ist direkt mit dem Kopf verbunden. Um Schuppen zu kurieren, massiert man die kleine Stelle direkt hinter dem großen Zehennagel. Um Halsschmerzen zu kurieren, massiert man das mittlere Gelenk des großen Zehs. So eine Behandlung wird von keiner Versicherung bezahlt. Wer so was macht, ist praktisch ein Arzt, bloß dass er keine Einnahmen hat. Leute, die sich die Zehenzwischenräume massieren lassen, um ihren Hirntumor loszuwerden, haben im Allgemeinen nicht sehr viel Geld. Lach nicht, aber selbst mit jahrelanger Erfahrung auf dem Gebiet der Reflexzonenmassage ist man immer noch arm und macht an den Füßen von Leuten rum, für die ein gutes Einkommen nie zu den wichtigen Dingen des Lebens gezählt hat.
    Lach nicht, aber eines Tages siehst du ein Mädchen wieder, mit dem zusammen du diese Ausbildung gemacht hast. Sie ist so alt wie du. Beide habt ihr Perlenketten getragen. Beide habt ihr Salbei zu Kränzen geflochten und verbrannt, um euer Energiefeld zu reinigen. Beide seid ihr barfuß und in Batikkleidern herumgelaufen, beide wart ihr jung genug, euch edelmütig vorzukommen, wenn ihr schmutzigen Obdachlosen, die zur kostenlosen Behandlung in eure Übungsklinik kamen, die Füße massiert habt.
    Das ist viele Jahre her.
    Und du bist immer noch arm. Die Haare brechen dir an den Wurzeln ab. Egal ob nun schlechte Ernährung oder die Schwerkraft daran schuld ist, die Leute denken, du ziehst dein Gesicht in Falten, auch wenn du nichts dergleichen tust.
    Dieses Mädchen, mit dem du die Ausbildung gemacht hast, siehst du aus einem schicken Hotel in der Stadt kommen, der Portier hält ihr die Tür auf, als sie mit schwingendem Pelzmantel da herausgerauscht kommt, auf Stöckelschuhen, in die keine Reflexzonenmasseurin der Welt jemals ihre Füße stecken würde.
    Als der Portier ihr ein Taxi heranwinkt, gehst du auf sie zu und sagst: »Lentil?«
    Die Frau dreht sich um, und sie ist es wirklich. Echte Diamanten glitzern an ihrem Hals. Ihr Haar ist lang und glänzend, eine dichte Mähne in Rot und Braun. Eine Wolke aus Rosen- und Fliederdüften umgibt sie. Der Pelz. Die Hände in Lederhandschuhen,

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