Die Kommissarin und der Tote im Fjord
zweite Mal, dass wir uns getroffen haben.«
Lena schwieg, wartete auf die Fortsetzung.
»Das erste Mal war vor einem Monat. In der Stadt. Ganz blöd – eigentlich. Ich war mit Freundinnen unterwegs. Ein letzter Drink sozusagen, in einer Bar. Treffe da einen Typen und, na ja, er kam mit zu mir.«
»Und Sie haben sich noch einmal getroffen?«
»Nach ein paar Tagen hat er eine SMS geschickt, wollte, dass wir uns wieder treffen. Eigentlich war ich mir nicht so sicher, ob das eine gute Idee war.«
»Eine gute Idee?«
»Ich habe eine Beziehung mit einem anderen Mann. Wir sind verlobt.«
Lena schwieg.
»Aber dann hat er angerufen, und wir haben geredet … und dann hat er wieder angerufen. Schließlich habe ich ja gesagt. Jetzt ist mir klar, dass ich mich bescheuert benommen habe. Ich habe Sveinung sogar erzählt, dass ich eine feste Beziehung habe, und alles Mögliche andere auch noch. Aber ich wollte es auch – Sveinung treffen.«
»Wissen Sie, dass er tot ist?«
»Ja.«
»Wann haben Sie es erfahren?«
»Vor ein paar Tagen.«
Lena schwieg und wartete auf eine Erklärung.
»Ich habe mich grad ziemlich isoliert.« Sie nickte zu dem Stapel Bücher. »Ich lese rund um die Uhr, wenn ich nicht am Flughafen arbeite. Dadurch kriege ich nicht alles mit. Habe Sie in den Nachrichten gesehen und war völlig baff. Sveinung tot?«
»Wir haben alle, die etwas wissen, gebeten sich zu melden.«
Lisbet antwortete nicht.
»Aber Sie haben sich nicht gemeldet?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich war total unter Schock. Das ist das eine. Und außerdem bin ich schließlich verlobt. Soll ich da einfach die Polizei anrufen und erzählen, dass ich meinen Freund betrogen habe? Sollte unsere Beziehung irgendwann auseinandergehen, dann will ich nicht, dass es auf diese Weise passiert. Wenn, dann will ich das selbst in die Hand nehmen. Mein Freund braucht von dieser Geschichte nichts zu wissen.«
Lisbet sah auf die Uhr. »Er kommt übrigens gleich.« Sie stand auf. »Ich dachte, es wäre er, als Sie geklingelt haben.« Sie griff nach einem Handy, das auf der Fensterbank lag. »Und ich habe das Gefühl, dass wir hier nicht so schnell fertig werden, oder?« Sie sah Lena fragend an.
Lena nickte.
Die Frau tippte eine Nummer ein und hielt das Handy ans Ohr. Als der Angerufene sich meldete, ging sie ins Nebenzimmer und schloss die Tür hinter sich.
Lena saß da und hörte sie mit leiser Stimme hinter der Tür sprechen. Sie war unglaublich genervt. Diese Frau hatte also nebenbei mit einem anderen gebumst und sich dann einfach nicht gemeldet, als die Polizei Informationen brauchte!
Lena ließ ihren Blick an den Wänden entlang wandern. Neidvoll betrachtete sie zwei Designer-Kerzenständer, die auf dem Tisch standen.
Lisbet hatte ihr Gespräch beendet und stand nun in der Tür und betrachtete sie.
»Ja?«, sagte Lena.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Vielleicht etwas zu trinken?«
Lena schüttelte den Kopf.
Lisbet setzte sich ebenfalls. So verharrten sie eine Weile, jede in einer Ecke des Sofas, und sahen schweigend vor sich hin.
»Erzählen Sie mir, was in der Nacht zum Donnerstag passiert ist.«
»Sveinung kam so gegen halb zwölf hierher.«
»Wie lange ist er geblieben?«
»Bis irgendwann frühmorgens.«
»Uhrzeit?«
»Vielleicht so gegen fünf.«
»Hat er gesagt, wohin er wollte, als er ging?«
»Nach Hause, denke ich. Er hat es nicht gesagt, aber ich habe ihn gefragt, ob ich ein Taxi rufen sollte. Das wollte er auf keinen Fall. Er wollte zu Fuß gehen. Ich glaube, er war einfach so, ein Sportfreak … Klar ist es traurig, dass er ins Wasser gefallen ist, aber …«
In der darauf folgenden Stille schwieg Lena abwartend.
»Nachdem ich Sie im Fernsehen gesehen hatte und gehört habe, was Sie gesagt haben, saß ich hier und habe an Sveinung gedacht. Das war total heftig. Ich habe nichts empfunden. Ich habe gemerkt, dass ich eigentlich nichts von Sveinung wusste, nichts Privates, nicht einmal, ob er zum Frühstück gern Spiegeleier isst. Ich meine, wir hatten einfach Spaß miteinander. Aber er hat nichts von sich erzählt. Und dann hab ich mich gefragt, ob ich denn überhaupt etwas von mir preisgegeben hatte. Hätte er zum Beispiel etwas über mich sagen können, etwas Gutes? Ich hatte keine Ahnung. Das war erschreckend. Weiß nicht, ob Sie das verstehen können.«
Lisbet sah Lena an, die statt zu antworten eine weitere Frage stellte: »Was haben Sie gemacht, nachdem er an dem Morgen gegangen war?«
Lisbet
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