Die Kommissarin und der Tote im Fjord
wie in einem amerikanischen Film«, sagte Gunnarstranda. »Einschussloch in der Stirn und eine Riesenschweinerei.«
Gunnarstranda bemerkte, dass die Bedienung eine neue Runde Gammel Dansk serviert hatte. Frølichs Glas war schon wieder leer.
Gunnarstranda nippte an seinem Glas und spülte den bitteren Schnaps mit Bier herunter. »Nun ist es aber so, dass ich Nina Stenshagens Handy habe. Und das wurde nicht benutzt – weder am Mittwoch noch am Donnerstagmorgen. Das letzte Mal wurde es Dienstagabend benutzt, und da hat sie mit Stig Eriksen telefoniert.
Also: Ein Mann wird Donnerstagmorgen im Hafenbecken ertränkt. Nina Stenshagen sieht, was passiert. Sie bekommt Angst und läuft vom Tatort weg, der Täter hinterher. Sie hat in ihren glücklicheren Jahren bei der T-Bahn gearbeitet und beschließt, ihren Verfolger abzuhängen, indem sie in den Tunnel läuft. Ich glaube, er hat sie eingeholt und ermordet. Das Rätsel, was ich zu lösen versuche, ist folgendes:
Woher konnte Stig Eriksen wissen, dass Nina Stenshagen ermordet wurde, weil sie beobachtet hatte, wer Adler umgebracht hat – wenn sie nicht miteinander gesprochen haben ?«
»Du hast immer gesagt, das Einfache sei das Beste«, sagte Frølich.
Gunnarstranda nickte.
»Das Einfachste ist, dass dieser Stig geblufft hat. Er wusste gar nichts.«
»Daran hab ich natürlich auch schon gedacht«, sagte Gunnarstranda. »Aber mein Bauchgefühl sagt, dass er was wusste. Vergiss nicht, dass er sich zuerst geweigert hat, mit mir zu reden. Dann ruft er an und will, dass ich zurückkomme. Er hätte alles Mögliche behaupten können, um mich dazu zu bewegen, umzukehren. Er hätte behaupten können, zu wissen, wer hinter Nina Stenshagen her in den Tunnel gelaufen ist, oder dass er wüsste, was tatsächlich passiert ist. Ich wäre umgekehrt und sofort zu ihm gerannt. Stattdessen spricht er vom Motiv für den Mord an Nina – er sprach von dem Mann, der im Hafenbecken ertrunken ist. Ich hatte weder Adeler noch sein Ertrinken mit einem Wort erwähnt. Ich spüre es. Stig hat die Wahrheit gesagt. Nina hat gesehen, was auf dem Rathauskai passiert ist. Und ich will das Rätsel gelöst haben. Du bist schlau, Frølich, und du liest Detektivromane. Hilf mir. Woher konnte Stig wissen, was Nina an dem Morgen beobachtet hat?«
»Das liegt doch auf der Hand«, sagte Frølich lächelnd. »Stig war selbst dabei und hat es auch gesehen.«
Gunnarstranda runzelte skeptisch die Stirn.
»Wenn Stig die Wahrheit gesagt hat«, sagte Frølich, »dann muss er dabei gewesen sein. Er muss es selbst gesehen haben.«
»Möglicherweise ist da was dran«, sagte Gunnarstranda nachdenklich. »Die beiden waren ein Paar. Zwei Obdachlose, die jede Nacht nach einem neuen Schlafplatz gesucht haben. Es war bitterkalt in der Nacht. Vielleicht hatten sie einen Unterschlupf in der Nähe des Rathauskais gefunden. Es war früh am Morgen. Das Opfer und der unbekannte Täter kommen an, sie gehen auf den Kai. Der eine schubst den anderen ins Wasser. Nina und Stig werden Augenzeugen, aber der Täter entdeckt nur Nina, die daraufhin wegrennt.«
Frølich nickte. Gunnarstranda war immer noch skeptisch. Gleichzeitig merkte er einen leichten Schwindel im Kopf. Zwei Gläser Schnaps und anderthalb Pils spielten Pingpong mit seinen Hirnzellen.
»Das Spannendste ist ja, was Stig dazu gebracht hat, Kontakt mit dir aufzunehmen«, sagte Frølich grinsend. »Warum wollte er dir erst nichts erzählen und nach einer halben Stunde dann doch alles verraten?«
Gunnarstranda versuchte sich zu konzentrieren.
»Stig hat dich angerufen, weil er Angst bekommen hat«, fuhr Frølich fort. »Er hatte eine Riesenangst und wollte deine Hilfe. Und warum hatte er solche Angst?«
»Sag du’s.«
»Weil er Kontakt zum Täter aufgenommen hat, nachdem du gegangen warst«, sagte Frølich.
»Genau das passt für mich irgendwie nicht zusammen«, sagte Gunnarstranda. »Wenn du Recht hast und Nina und Stig beide zugesehen haben, wie der Täter unseren Bürokraten ins Wasser geworfen hat, und wenn du auch Recht damit hast, dass Stig mit demselben Täter Kontakt aufgenommen hat, nachdem ich wieder weg war – warum hat er so lange gewartet? Warum hat er nicht schon am Tag zuvor Kontakt zum Täter aufgenommen, warum erst, nachdem ich mit ihm gesprochen hatte?«
»Vielleicht hat er ja schon vorher Kontakt aufgenommen. Hast du sein Handy?«
Gunnarstranda schüttelte den Kopf. »Der Täter war gründlich. Er hat es mitgenommen. Hab versucht, es zu
Weitere Kostenlose Bücher