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Die Kompanie der Oger

Die Kompanie der Oger

Titel: Die Kompanie der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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trat beiseite und der Dämon ging in die Nacht davon.
    Der zinnoberrote Rabe flog von den Baumwipfeln herunter und setzte sich auf ihre Schulter. »Glaubst du, er weiß es?«
    Die Hexe zuckte die Achseln. »Wenn nicht, wird er es bald wissen.«
    »Was wirst du tun?«
    »Nichts.«
    »Du könntest ihn zerstören, oder nicht?«
    »Mit einem einzigen Schwung meines Zauberstabs.« Sie führte die einfache Geste vor. »Aber sie würden es spüren, und es würden noch mehr kommen. Sie mussten Ned irgendwann finden. Es war nur eine Frage der Zeit.«
    »Du könntest ihn wieder verstecken«, schlug der Rabe vor.
    »Das könnte ich schon. Aber Ned gehört hierher. Es ist an der Zeit zu sehen, aus welchem Holz er geschnitzt ist, und zu hoffen, dass er bereit ist.«
    Die Rote Frau setzte ihren Weg zur Zitadelle fort, die sich inzwischen komplett in Alarmbereitschaft befand. Sie hatte mächtigere Magie zur Verfügung als langweilige verzauberte Mäntel. Niemand entdeckte sie.
    »Glaubst du, Ned ist bereit?«, fragte der Rabe, als sie, von den Wachen unbehelligt, durch das Haupttor gingen.
    Ein kalter Wind fegte über die Festung.
    »Nein, ich nehme an, er wird nicht bereit sein.«
    Geisterhafte Dunkelheit fiel wie der Schatten eines unsichtbaren Kolosses über die Zitadelle und heftiger Regen strömte aus einem wölken- und Sternenlosen Himmel.
     
    ELF
     
    Während die Oger-Kompanie wenig diszipliniert durcheinanderrannte, schlüpfte die Rote Frau in Neds Zimmer. Sie bewegte sich in diesen Momenten zwischen Momenten, auf diesen Brücken zwischen Gegenwart und Zukunft, und niemand bemerkte, wie sie vorüberging. Ned war zu dem Zeitpunkt allein in seinem Raum. Miriam und Regina waren draußen, um bei den Suchanstrengungen zu helfen. Die Hexe trat an den Fuß des Bettes und studierte den Leichnam.
    »Worauf wartest du?«, fragte der Rabe. »Weck ihn einfach auf, damit wir abhauen können, bevor uns jemand entdeckt.«
    Die Rote Frau kicherte leise. Sie würde schon in einem Augenblick wieder verschwunden sein. Außerdem hatte sie nichts zu befürchten, sollte sie es sich erlauben, gesehen zu werden. Sie schlich nur deshalb herum, weil es so lange ihre Gewohnheit gewesen war, dass sie die Geduld verloren hatte, sich mit den Lebenden abzugeben. Aber sie hatte lange genug gezögert. Sie ging zum Kopfende des Bettes und schwang ihre Hände über Ned. Die Schwellung des Leichnams schrumpfte. Die Verbrennung auf seiner Brust verblasste zu einem weniger auffälligen Farbton, den man nur noch im richtigen Licht erkennen konnte. Aber da er immer eine Erinnerung an seine Tode trug, würde das Mal bleiben. Nachdem sie seine Zunge liebevoll in seinen Mund zurückgesteckt hatte, schien es, als würde Ned lediglich schlummern. Er hatte so viele Verletzungen, dass man im Allgemeinen nur an seinem Atem sehen konnte, dass er lebte. Er atmete noch nicht.
    Sie hielt inne. Es war wirklich eine Schande, dass er nicht tot bleiben konnte, für immer eingefroren in diesem friedlichen Schlummer. Aber der Tod war nicht für Ned vorgesehen.
    Der Rabe ließ sich auf dem Kopfteil des Bettes nieder. »Nun tu’s schon.«
    Sie klatschte Ned auf die Stirn. Er erwachte mit einem kurzen Schrei zum Leben. Von den Toten zurückzukehren war so normal wie aufzuwachen und er hatte weder ein Gefühl der Verwunderung noch der Verwirrung. Nur Enttäuschung, und selbst diese Gefühlsregung deutete sich nur leicht an.
    »Wie lange war ich weg?«, fragte er die Rote Frau. Ihre Wiedererweckungen kamen nicht immer prompt. Einmal war er drei Monate tot gewesen, bevor sie Zeit fand, ihn aufzuwecken.
    Aber die Rote Frau war nicht mehr da. Sie war in einem weiteren dieser »Zwischenmomente« davongeschlichen. Das überraschte ihn. Sie war immer die erste Person gewesen, die er gesehen hatte. Nicht, dass sie ihm je etwas Nützliches gesagt, noch eine Erklärung abgegeben hätte. Aber sie war nie einfach davongerannt, ohne ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Ned war es egal, aber er hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie ihm aus dem Weg ging. Da er nicht der Typ war, der glückliche Zufälle für selbstverständlich hielt, ergriff er die Gunst des Augenblicks, um auf seinem Bett liegen zu bleiben und sich zu entspannen. In diesem Moment war die Rote Frau fort und niemand sonst in der Zitadelle wusste, dass er am Leben war. Zumindest für eine Weile konnte er die Ruhe genießen.
    Es dauerte nicht lange. Das tat es nie.
    Die Tür öffnete sich. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog

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