Die Konkubine
mit ihm getrieben hatten. Wie es wohl Fauth damit ging?
Ihm blieben wieder nur wenige Stunden, um sich auszuruhen. Konrad hatte den Eindruck, dass er gerade erst eingeschlafen war, als Fauths Boy ihn unsanft aus dem Tiefschlaf riss. Er fühlte sich wie gerädert.
«Gouverneur sagt, Sie sehen», verkündete der Chinese würdevoll. Er empfand es offenbar als eine Zumutung, einen Gemeinen wecken zu müssen. Konrad holte Fauth kurz vor der Gouverneursvilla ein. «Na, ausgeschlafen?», erkundigte dieser sich munter und anscheinend schon wieder stocknüchtern. Der Mann musste eine Leber wie ein Schwamm haben, obwohl er ansonsten nur Limonade trank. Naja, er war ja schließlich auch gelernter Braumeister, da bekam man vielleicht Kondition.
Truppel saß schon im Morgenmantel am Frühstückstisch. Er hatte drei Gedecke auflegen lassen, eines für sich, eines für Fauth und eines für den Gefreiten Gabriel. Was diesem wiederum das Gefühl vermittelte, nun wirklich wieder in Gnaden aufgenommen worden zu sein. Anscheinend vertrauten ihm die beiden Männer. Der Kaffee war heiß und so stark, dass der Löffel drin steckenblieb. «Guter deutscher Kaffee ist doch das Beste, was?», begann Truppel den Dialog. Dann mussten Fauth und sein Assistent von der vergangenen Nacht erzählen. Über die Geheimpapiere verlor niemand mehr ein Wort. Darüber gab es nichts zu sagen.
Konrad würde nie vergessen, wie die drei russischen Torpedoboote und das Flaggschiff Zessarewitsch am 15. August nach Ablauf der Frist schließlich entwaffnet und die Flaggen niedergeholt wurden. Ihr Kriegseinsatz war vorbei. Die Toten hatte man bereits mit allen militärischen Ehren unter der Teilnahme von Abordnungen des deutschen Geschwaders und der Besatzung von Tsingtau auf dem europäischen Friedhof bestattet.
Es gab nicht viele Zuschauer bei der Zeremonie im Hafen, nur Truppel, sein Adjutant, Fritz Fauth und Konrad Gabriel beobachteten das Geschehen. Der Gouverneur von Tsingtau war bestrebt, den Männern der russischen Marine soweit es ging eine Demütigung zu ersparen. Jeder einzelne deutsche Marinesoldat, vom Matrosen bis zum Admiral konnte ihren Zorn und ihre Verzweiflung nachfühlen.
Die Besatzungen waren auf den Achterdecks ihrer Schiffe zur Flaggenparade angetreten – in diesem Falle aber, um die Kriegsflagge niederzuholen. Die Männer boten ein erschütterndes Bild, obwohl sie sichtlich um Haltung bemüht waren. Während die Flaggleine gefiert wurde, präsentierte die Wache. Die Musiker spielten den Präsentiermarsch, und auch die Trommeln wurden gerührt. Ein Teil der Offiziere ertrug es nicht, die russische Flagge immer tiefer sinken zu sehen. Die Männer hielten sich die Hände vor die Augen. Einige Matrosen fingen sogar laut an zu weinen. Manche der kräftigen Soldaten warfen ihre Gewehre mit einer derartigen Wucht auf die Planken des Schiffes, dass diese zersplitterten. Die Lage war heikel, die Besatzungen standen kurz vor einem Aufruhr.
Da knallte ein Schuss, dann ein zweiter und ein dritter. Konrad sank zu Boden. Zunächst empfand er keinen Schmerz, war eigentlich nur verwundert, dass ihm jemand die Beine unter dem Körper wegzog. Im Fallen bemerkte er noch, wie sich Fritz Fauth an den Arm griff, hörte Männer Befehle brüllen, sah, wie sich auf dem Achterdeck der Zessarewitsch zwei Offiziere auf einen Kameraden stürzten und ihm ein Gewehr entwanden. Es war der junge Leutnant von der Nacht zuvor. Auch später erinnerte sich Konrad nicht daran, in diesem Moment Schmerzen gehabt zu haben. Nur an sein ungläubiges Erstaunen, als ihm klar wurde, dass er von einer Kugel getroffen worden war.
Er erwachte einige Stunden später im Lazarett. Gouvernementsarzt Harry Koenig beugte sich über ihn. Jetzt brüllte Konrads Körper vor Schmerzen, alles tat weh. Er konnte nicht genau fühlen, wo er überall verwundet worden war.
«Glück gehabt, Gefreiter», klärte ihn der Mediziner auf. Koenig war immer knurrig. Er schien ständig missmutig zu sein oder unter Magenschmerzen zu leiden. Kein Wunder bei dem Beruf, fand Konrad. Damit war seine Fähigkeit zum Mitgefühl aber erschöpft, er brauchte momentan alle seine Kräfte für sich selbst.
«Was ist passiert?», keuchte er, während ihm die Tränen aus den Augen liefen. Er konnte nichts dagegen tun.
«Erinnern Sie sich nicht mehr?»
Es tat sogar weh, den Kopf zu schütteln.
«Ein russischer Leutnant hat auf Fauth und Sie geschossen. Fauth hat nur eine Streifwunde am Arm abbekommen. Bei Ihnen
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