Die Konkubine
Näheres erfahren. Als er jedoch keine Anstalten machte, ein Schwätzchen mit ihr zu beginnen, ging sie wieder aus dem Zimmer. Nicht ohne sich in der Tür noch einmal zu ihm umzudrehen.
Konrad sah es gar nicht. Wo blieb nur Tang! Immer wieder starrte er auf die Zimmertür. Doch die Schritte, die draußen im Gang hallten, kamen näher und wurden dann wieder leiser. Er musste darüber eingeschlafen sein, denn er wurde von einer Hand geweckt, die sich vorsichtig auf seinen Arm legte.
Er schrak hoch. «Tang, endlich!»
Der Freund lachte. «Das hört sich ja nach großer Sehnsucht an.»
Konrad wurde verlegen. «Ich muss fort. Schon in drei Tagen.»
Das Gesicht Huimins wurde ernst. «So bald?»
«Ich habe auch nicht damit gerechnet. Ich – ich werde dich vermissen. Euch alle.»
«Wir dich auch.» Tang sagte das ohne großes Pathos. Das machte diese Bemerkung umso glaubwürdiger.
«Meinst du, wir werden uns wiedersehen?»
Der junge Chinese zuckte die Schultern. «Vielleicht. Mein Vater hat schon oft davon gesprochen, dass ich nach Deutschland gehen sollte, um mich an einer eurer Universitäten zum Ingenieur ausbilden zu lassen.»
Konrad richtete sich auf. «Du bist in meiner Familie immer herzlich willkommen. Ich würde mich freuen, dir meine Heimat zu zeigen. So, wie du mir China nahegebracht hast.»
«Gerne, ich werde darauf zurückkommen. Doch das kann noch dauern. Im Moment braucht man mich hier. In China bahnen sich große Veränderungen an, wie du weißt. Es braut sich ein Gewitter zusammen. Und wenn der Sturm vorüber ist, wird nichts mehr so sein, wie es vorher war. Dann müssen wir ein neues, ein besseres China aufbauen. Vielleicht treibt mich dieser Wind der Veränderung ja auch nach Westen, und ich studiere wirklich in deinem Land. China braucht Menschen, die westliches Wissen, westliche Technologie hierher bringen.»
Konrad schaute den Freund offen an. «Ich werde mich freuen, dich wiederzusehen. Tang – ich…»
«Was ist?»
«Bitte, ich muss sie sehen. Nur einmal noch. Ich weiß, dass wir niemals eine gemeinsame Zukunft haben werden, aber ich…»
«Du liebst sie, nicht wahr?» Tangs Miene verschloss sich.
Konrad sah das. Er hatte keine Zeit für falsche Scham. «Bevor ich Mulan getroffen habe, wusste ich nicht, was Liebe ist. Bitte, kannst du mir helfen?»
«Sie will dich nicht sehen. Das weißt du.»
«Bitte, bitte sprich doch noch einmal mit ihr! Bitte, mein Freund.»
«Ach Kangle, seid ihr Deutschen alle so stur?»
Konrad lachte, es klang gezwungen. «Wahrscheinlich schon. Aber ich scheine eine besonders große Portion Sturheit abbekommen zu haben. Bitte, versuch es, sprich mit ihr!»
Tang gab nach. «Ich werde es versuchen. Aber mach dir keine großen Hoffnungen.»
Der Mann im Lazarett zählte jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde. Immer wieder blickte er zur Tür, schreckte nachts aus dem Schlaf hoch. Doch sie kam nicht. Bis zuletzt hoffte er. Vergeblich. Die hübsche Schwester packte seine Sachen zusammen. Fauths Boy hatte die Habseligkeiten in seiner Unterkunft zusammengesucht und bereits auf die Crefeld gebracht.
Konrad hatte darum gebeten, seine Abreise nicht an die große Glocke zu hängen. So hatten ihm Huimin, einige Kameraden von der Kapelle, Richard Wilhelm, ja sogar der Gouverneur bereits Adieu gesagt. Nur Mulan nicht.
Er verzichtete auf einen Krankentransport und ließ sich mit einer Rikscha zum Hafen bringen. Er wollte in Ruhe von dieser deutschen Stadt am Gelben Meer Abschied nehmen. Noch einmal auf die See hinausschauen, das sanfte Plätschern der Wellen hören, den Uferweg entlangfahren, an dem der kleine Tempel lag, in dem er Mulan zum ersten Mal gesprochen hatte. Die Meeresbrise spüren. Über der Stadt lag eine Dunstglocke und jene besondere Duftnote, die sich aus dem Gestank von Straßendreck, dem Geruch von Fisch, Algen, Meer, Schweiß und dem Duft der Rosen aus den Vorgärten zusammensetzte. Er warf einen letzten Blick auf die breiten Straßen. Auf die Villen und Geschäftshäuser in den sorgsam gepflegten Gärten. Sie vermittelten den Eindruck einer friedlichen Welt, wie sie so da standen, ockergelb und von der Sonne beschienen, inmitten des Grüns und der Blumenpracht. Ein Teil seines Herzens blieb hier zurück. Hier, in diesem so fremden Land, in dem ihm unerwartet so viel geschenkt worden war.
Plötzlich stockte die Fahrt. Zwei Frauen hatten sich der Rikscha in den Weg gestellt. Mulan! Es war Mulan! Für einen kurzen Moment glaubte er an eine
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